Korea bei der Handball-WM: Blaue Einigkeit
Das geteilte südostasiatische Land tritt bei der Handball-WM in Dänemark und Deutschland mit einem vereinigten Team an.
Das Ganze wird mal wieder sehr gut aussehen. Mit der hellblauen Silhouette der koreanischen Halbinsel werden sie einmarschieren, Athleten aus dem Norden gemeinsam mit denen aus dem Süden. Sportler, deren Länder formal seit 68 Jahren im Kriegszustand verharren, werden Seite an Seite spielen – und das auch noch in Berlin. Wenn am Donnerstag Deutschland am Eröffnungstag der Handball-WM auf eine gesamtkoreanische Nationalmannschaft trifft, dürfte der Sportwelt warm ums Herz werden.
Seit einem Jahr, den Olympischen Winterspielen 2018 im südkoreanischen Pyeongchang, hat sich dieser Coup angebahnt. Der Vorschlag kam von der Internationalen Handballföderation, die mit der Idee einer vereinten Mannschaft beide nationalen Verbände kontaktierte und Zusagen bekam. Vier nordkoreanische und 16 südkoreanische Spieler stehen im Kader, geleitet wird die Truppe vom 51-jährigen Cho Yeong-sin, der auch noch der Sportabteilung des südkoreanischen Militärs angehört.
Zwar werden die Nordkoreaner zusätzlich von ihrem eigenen Stab betreut, aber nach gemeinsamer Ankunft in Deutschland äußerte sich Cheftrainer Cho begeistert: „Wir sind zwar erst eine kurze Zeit zusammen, aber der Wille, als Team zusammenzufinden, ist zu spüren. Auch die Atmosphäre in der Mannschaft gefällt mir.“ Man lache gemeinsam, werde in jedem Spiel sein Bestes geben.
Dabei ist ein gesamtkoreanischer Auftritt bei Turnieren kein Novum mehr. Schon 1991 spielten Athleten aus Nord und Süd unter dem Banner der Einigungsflagge bei der Tischtennis-WM in Japan, gewannen dort sogar Silber und Bronze. Bei Winterolympia 2018 ging die Eishockeytruppe der Frauen mit Spielerinnen aus beiden Ländern an den Start und auch gemeinsam unter.
Wohlwollende Berichterstattung
Ohne Punktgewinn schloss man als Letzter das Turnier ab. Im selben Jahr folgten Teilnahmen unter gemeinsamer Flagge im Kanu, Basketball und Rudern bei den Asien-Spielen in Indonesien, danach im Rollstuhltischtennis und Schwimmen bei den Asian Para Games sowie erneut bei der Tischtennis-WM in Schweden.
„Das ist eine wertvolle Chance, die Tür zu öffnen“, jubelte Südkoreas auf Verständigung ausgerichteter liberaler Präsident Moon Jae-in schon während der Olympischen Winterspiele. Zwar bedeuten diese Projekte für die Regierungen sowohl im Norden als auch im Süden durchweg positive Nachrichten. Die nationalen Medien auf beiden Seiten tendieren dann zu wohlwollender Berichterstattung.
Allerdings fällt auch auf, dass die gemeinsame Flagge nur dann weht, wenn es entweder um Einzelsportler geht, die ohnehin keine direkten Kameraden im Wettkampf haben, oder um Mannschaftsdisziplinen, für die das öffentliche Interesse begrenzt ist. Sowohl Eishockey als auch Handball stehen in Korea, Nord wie Süd, nicht gerade im Spotlight.
Vorgabe von oben
Zudem waren es bisher vor allem diejenigen, die sich über die gesamtkoreanischen Auftritte freuten, die nicht direkt von ihnen betroffen waren. Besonders deutlich wurde dies am Eishockey-Team von Olympia 2018. Da moserte die Trainerin Sarah Murray öffentlich: „Da kann man wohl nichts machen. Es war eine Vorgabe von oben.“ Sie sei angewiesen worden, aus ihrem südkoreanischen Kader einige Spielerinnen zu streichen, damit einige Plätze an Nordkoreanerinnen vergeben werden könnten. Zumindest dies soll bei der Handball-WM kein Problem sein. Die IHF verkündete vor einem Jahr, dass die Anzahl erlaubter Spieler im Kader extra angehoben werde.
Und doch bleiben Vorbehalte. Zumindest in Südkorea kritisieren skeptische Liberale die Aktionen als Ablenkung von langsamen Fortschritten in der Verständigungspolitik, während in den Augen vieler Konservativer die Flagge mit der hellblauen Halbinselsilhouette ohnehin eher wie ein rotes Tuch aussieht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag