Korallenbleiche: Hitzeresiliente Korallen
Weltweit leiden Korallen unter Hitzestress, doch manche vertragen höhere Temperaturen als andere. Forscher*innen versuchen sie gezielt zu züchten.
Korallenriffe sind ein Hotspot der Artenvielfalt, sie bieten etwa drei Viertel aller bekannten Meereslebewesen eine Heimat. Und sie sind existenziell bedroht. Steigende Wassertemperaturen führen dazu, dass die Korallen die mit ihnen lebenden Algen abstoßen. Dadurch bleichen sie aus und verlieren ihre wichtigste Nahrungsquelle.
Allerdings, so Joanie Kleypas vom Nationalen Zentrum für Atmosphärenforschung in Colorado, seien manche Korallen widerstandsfähiger als andere. Die Korallen im Roten Meer beispielsweise können höheren Temperaturen standhalten, weil sie Tausende von Jahren Zeit hatten, sich an die dortige Hitze anzupassen. Das Problem sei, dass der Mensch die globalen Temperaturen schneller ansteigen lässt, als die Korallen durch natürliche Auslese ihre Resilienz entwickeln könnten, sagt Kleypas.
Stresstest im Meeressimulator
Am Australischen Institut für Meereswissenschaften züchtet ein Forscherteam daher gezielt Korallen, die besser mit der Hitze zurechtkommen. Der erste Schritt bestehe darin, hitzebeständige Eltern zu finden, sagt Annika Lamb, eine der Forschenden. Dazu werden Korallenproben entnommen, in Tanks gesetzt und im Meeressimulator des Instituts einem Hitzestress-Test, einem sogenannten „Rapid Heat Stress Test“ unterzogen. Anschließend werden die Korallen entsprechend ihrer Hitzebeständigkeit klassifiziert.
Riffe in Gefahr
Korallen sehen zwar aus wie Unterwasserpflanzen, sind aber im Grunde ortsgebundene Tiere. Sie leben in enger Zweckgemeinschaft mit Mikroalgen, sogenannten Zooxanthellen. In guten Zeiten profitieren beide voneinander. Die photosynthetischen Algen produzieren Zucker und Sauerstoff, im Gegenzug bieten die Korallen ihnen Sicherheit und Nährstoffe.
Das Ausmaß
Das australische Great Barrier Reef trifft es besonders hart, aber die große Korallenbleiche vollzieht sich rund um den Globus. Vor den Küsten Floridas im Atlantik, im Indischen Ozean bei Tansania sowie in weiten Teilen des Pazifiks haben Forschende seit Anfang 2023 eine Massenbleiche der Korallenriffe registriert – von der einstigen Farbenpracht bleiben nur weiße Skelette. 54 Prozent der Korallengebiete in mittlerweile 62 Ländern und Territorien sind betroffen, erklärte die US-amerikanische Ozean- und Atmosphärenbehörde Mitte Mai. Es ist die vierte globale Korallenbleiche und die wohl größte, die je beobachtet wurde.
Die Bedrohung
Heizt sich das Wasser zu sehr auf, kippt das Verhältnis der Lebensgemeinschaft zwischen Koralle und Alge. Die Koralle setzt die Untermieterin Alge dann quasi vor die Tür. Der Grund: Die hohen Temperaturen stören die Fotosynthese der Alge. Diese kann keinen Zucker mehr liefern und produziert stattdessen aggressive Toxine. Die Nährstoffe der Koralle nutzt sie aber trotzdem, sodass dieser zum eigenen Schutz keine andere Option bleibt, als die Alge abzustoßen. Ohne die Alge verliert die Koralle ihre Farbe, die Bleiche setzt ein. Kurzfristig ist das Abstoßen eine gute Strategie – langfristig jedoch fehlen der Koralle die durch die Alge gelieferten Nährstoffe, sie droht zu verhungern. Der Weg zurück ist möglich: Normalisieren sich die Umgebungstemperaturen, kann die Symbiose neu aufleben. Dennoch schwächen solche Ereignisse die Korallen nachhaltig. Sie pflanzen sich danach schlechter fort und sind anfälliger für Parasiten und Krankheiten.
Von da an sei es ein Geduldsspiel, sagt Lamb. Normalerweise laichen Korallenkolonien in nur einer einzigen Nacht im Jahr, ausgelöst durch einen exakten Zeitraum, der zwischen Sonnenuntergang und Mondaufgang liegt. Dieses Lichtmuster stellen die Forschenden im Meeressimulator nach. Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, steigen sie hinunter in die Korallenräume. Zuvor setzen sie sich rote Stirnlampen auf. Damit wollen sie ihren eigenen Einfluss auf die lichtempfindlichen Korallen so gering wie möglich halten. Sie warten, bis die Korallen laichen, und sammeln dann die Ei- und Spermienpakete ein, die in den Tanks auf der Wasseroberfläche schwimmen.
Babykorallen werden ausgewildert
Die Forschenden befruchten daraufhin die Eier und kreuzen dafür die verschiedenen Gruppen hitzebeständiger Korallen miteinander. So wollen sie besonders resistente Nachkommen zu züchten. Im August 2023 hatten sie bereits über drei Millionen Eier befruchtet. Diese ziehen die Forschenden dann in den Korallenkindergärten des Meeressimulators heran: von mikroskopisch kleinen Organismen bis zu Korallen von der Größe eines Fingernagels.
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Ziel der Unternehmung ist, die Korallen wieder in die freie Natur auszuwildern. Dafür wird häufig das Verfahren der sogenannten Korallenaussaat genutzt. Dabei werden Babykorallen auf kleine Keramik- und Betonsockel gelegt und in Gebiete geworfen, in denen Riffe saniert werden müssen. Laut dem Institut ist es „der größte jemals durchgeführte Forschungsversuch zur Wiederherstellung von Korallen“. 100.000 Babykorallen wurden bislang in das Riff eingebracht. Ob diese Bemühungen Früchte – oder, noch wichtiger, Korallen – tragen werden, bleibt abzuwarten.
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