Konzertempfehlungen für Berlin: Implodieren, ohne zu zerbrechen
Im Januar widmet sich das CTM-Festival wieder der experimentellen Musik, das Konzertprojekt CROC erforscht Verlust und Selbsttranszendenz.
O h, schon wieder fast ein ganzer Monat des neues Jahres rum. Was bedeutet: Die CTM steht an – dieses Jahr ausnahmsweise mal ganz ohne thematische Klammer. Es ist vermutlich einfach zu viel los in der Welt, um sich derart zu fokussieren beziehungsweise zu beschränken.
Die ersten musikalischen Abendveranstaltungen der diesjährigen Ausgabe finden am Freitag statt – im Silent Green. Der Sound, den etwa Elischa Heller zum Auftakt schafft, wird von den Veranstalter:innen als klangliche Umsetzung des Eindrucks umschrieben, man implodiere – ohne dabei innerlich zu zerbrechen. Es soll nicht der einzige Widerspruch in der Arbeit des Schweizer Performers und Musikers bleiben, der zwischen Noise, Rock und Elektronik oszilliert.
Er tritt zusammen mit Cally Statham aka Plus44Kaligula auf, deren Einflüsse – David Bowie, Laurie Anderson und Scott Walker – eine surreale Theatralik vermuten lassen (24.1., 18 Uhr, Kuppelhalle @ Silent Green, 20, erm. 15 Euro).
Am Samstagabend sind dann mit These New Puritans alte Bekannte zu erleben – ebenfalls im Silent Green, in der atmosphärisch ganz anderen Betonhalle. Die englische Band versteht es, immer wieder zeitlos und trotzdem gegenwartssatt klingen, mit ihrem eigenwilligen Amalgam aus Postrock, Klassik und experimenteller Elektronik. Ebenfalls dabei: Dis Fig & Spooky-J (25.1., 20 Uhr, 30, erm. 25 Euro).
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Und auch das Radialsystem, das Berghain und Momex werden im weiteren Festivalverlauf zu Spielstätten; zudem gibt es Panels, Workshops etcetera. Für die unterschiedlichsten Bedürfnisse ist gesorgt. Weitere Infos zum Festival gibt es hier.
Ebenfalls sehr lohnend dürfte am Freitag Abend ein Besuch im Pierre Boulez Saal sein. Dort tritt der Chicagoer Jazzmusiker Ben LaMar Gay auf. Der ehemalige Musiklehrer ist im Umfeld der legendären AACM (Association for the Advancement of Creative Musicians) künstlerisch zuhause – was eigentlich fast immer ein Garant für schöne Experimente jenseits von Genregrenzen ist.
Wer ihn nicht zu kennen glaubt, kennt ihn vielleicht doch: Er war mit einem tollen Track auf dem letzten Album von The Notwist vertreten. Im Pierre Boulez Saal tritt er mit einem neuen fünfköpfigen Ensemble auf; das Ganze ist Teil seines fortlaufenden Projekts „The Manipulation of Lines and Breff“ (24.1., 19.30 Uhr, Restkarten im VVK 25 bis 45 Euro).
Der „Erforschung von Verlust und Selbsttranszendenz“ wollen sich die fünf Musikerinnen von LUX:NM zusammen mit dem experimentelle Komponisten James Black widmen, im Rahmen ihres gemeinsamen Konzertprojekts CROC. Aufgehängt ist die Uraufführung an der bemerkenswerten, wenn auch letztlich tragischen Lebensgeschichte von Larry „Lawnchair Larry“ Walters. Der ließ sich samt Gartenstuhl mithilfe von mit 40 mit Helium gefüllten Ballons in die Luft heben – zunächst mit Erfolg, doch letztlich musste er von der Feuerwehr aus einer Stromleitung gerettet werden.
„Es war etwas, das ich tun musste. Ich hatte diesen Traum seit zwanzig Jahren. Wenn ich es nicht getan hätte, wäre ich wahrscheinlich in einer psychiatrischen Anstalt gelandet.“ sagte er über die Episode. Und wurde doch nicht glücklich. Mit 44 Jahren nahm er sich das Leben. Seine Geschichte dient hier als Ausgangspunkt für existenzielle Fragestellungen. Denen nähert sich die multimediale Performance aus unterschiedlichsten Richtungen (Theater im Delphi, 27.+28.1., 20 Uhr, Tickets 15, erm. 10 Euro).
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