Konzertempfehlung für Berlin: Schönklang und Experiment

Bei Daniel Blumberg ist es von der intensiven Ballade zum dräuenden Fiepen nicht weit. Am Sonntag stellt er sein Debütalbum im Roten Salon vor.

Ein junger Musiker, der schon viel erlebt hat: Daniel Blumberg Foto: Steve Gullick

Dieses Piano, diese Violine, dazu eine Mundharmonika: So entstehen elegisch sehnende Klänge. „Minus“, das Solodebüt des Londoner Musikers Daniel Blumberg, wäre ein nostalgisch anmutendes Songwriterpop-Album voll symphonischer Melodien – wären da nicht die schiefen Fragmente, aus denen tolle Störgeräusch-Kakofonien entstehen.

Das Album zitiert sixties-inspirierten Schönklang, den Sound schwelgerischen Westcoast-Pops, der dann aber prompt zerlegt wird. Von der intensiven Ballade zum dräuenden Fiepen ist es bei Blumberg nicht weit.

Von 2009 bis 2013 war er Sänger und Gitarrist der Indierockband Yuck, die munter den Sound der neunziger Jahre zitierte: die schrägen Experimente von Pavement, das Emohafte der Smashing Pumpkins und die Lässigkeit von Yo La Tengo – ein Spagat zwischen unterschiedlichsten Indie-Traditionen, der der Band zu Blumbergs Zeiten tatsächlich aber gelang.

Hervorgegangen war die Band aus dem Projekt Cajun Dance Party, in das Blumberg schon als Teenager involviert war. In den Schulferien hatte die Band seinerzeit ihr Debüt aufgenommen. Trotz seiner jungen Jahre hatte der 1990 geborene Songwriter also schon eine Menge ausprobiert. Zufrieden ist er rückblickend aber nicht. „Ich hasse wirklich alles, was ich vorher gemacht habe“, sagt er, als sein Solodebüt erschien.

Daniel Blumberg: Roter Salon in der Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz, 2. 12., 20 Uhr, Tickets 15 €, Info: www.volksbuehne.berlin

2013 begann er dann, sich auf eigene Projekte zu konzentrieren. Und die experimentelle Szene des Cafe Oto zu entdecken. In diesem weit über die Londoner Stadtgrenzen bekannten Kunstraum im Stadtteil Dalston trifft sich die experimentell musizierende Impro-Szene. Zunächst erschienen nach seinem Andocken an dieses Universum ein paar beherzte, wenn auch unausgegorene Stücke unter Alias wie Oupa und Hebronix.

Breite Klangpalette

Erstmals veröffentlichte er im Mai dieses Jahres dann unter seinem eigenen Namen. Mit dem von einem zarten Klavier getragenen intimen Songwriting, kontrastiert mit Ausbrüchen freier Improvisation, scheint er seine Form gefunden haben – für eine Weile zumindest. „Minus“ ist ein bemerkenswertes Album, allein wegen der Breite der Klangpalette.

Produziert wurde das Album übrigens von Peter Walsh, der über die Jahre eng mit Scott Walker gearbeitet hat. In dessen wechselvoller Laufbahn lagen ja der Schönklang und das radikale Experiment ebenfalls nah beieinander.

Darüber mit ihm am Telefon zu reden, erweist sich jedoch als schwierig. Blumberg ist ein vielbeschäftigter Mann, einen Termin zu finden war nicht einfach. Gerade ist er auf dem Weg nach Italien, um dort ein paar Konzerte mit Billy Steiger zu spielen, dem Violinisten, der auch auf dem Album zu hören ist.

Das Telefonat soll stattfinden, als er am Flughafen ein paar freie Minuten hat. Die Verbindung ist wackelig, dauernd stören Lautsprecherdurchsagen und zwischendurch muss er auch noch durch die Passkontrolle.

Immerhin kommt auch unter diesen Bedingungen an, wie nachhaltig beglückt er über die Welten ist, die ihm das Cafe Oto eröffnet hat. Dort spielt er regelmäßig: mit dem erwähnten Steiger, aber auch mit Kontrabassist Tom Wheat­ly und dem Schlagzeuger Jim White, die allesamt ihre Unterschrift auf dem Album hinterlassen haben und so zentral für seinen Sound sind, dass Blumberg ihre Initialen gleich unter seinen Namen auf das Cover drucken ließ. Auch die Cellistin Ute Kanngiesser ist eine regelmäßige Mitstreiterin.

Im Interview klopft er dann Sätze heraus wie: „Fast alle Musik, die ich mache, ist improvisiert. Eigentlich verbringe ich den Großteil meiner Zeit mit Zeichnen.“ Und auch: „Live spielen wir immer ohne Setlist. Ich schätze die musikalischen Stimmen der anderen und möchte schlichtweg darauf antworten.“

Er lässt sein Schaffen beiläufiger klingen, als es vermutlich ist. Auf die Frage, wie denn die emotionale Dichte, das bisweilen große Drama in seine Songs kommt, antwortet er halb­ironisch: „Vielleicht beeinflusst mich, dass meine Mutter viel Elton John gehört habt, als ich Kind war.“

Vielfalt des Schmerzes

Auf jeden Fall hatte er einiges zu verdauen, als er an dem Album arbeitete: den Verlust eines guten Freundes, das Ende einer langen Beziehung. Zwischen seinem kreativen Output, der Bühnenpersona und dem Menschen Daniel Blumberg scheint es kaum Distanz zu geben. Auf „Minus“ buchstabiert er die Vielfalt des Schmerzes aus und badet im Leid, manchmal auch im Selbstmitleid: „Meine Arbeit ist immer sehr persönlich und verwoben mit dem Rest meines Lebens.“

Besonders das Texteschreiben sei ein fordernder Prozess, mit dem er viel Zeit verbringe. Wie sehr es beim bevorstehenden Auftritt im Roten Salon um das schmerzdurchtränkte Album gehen wird, steht jedoch auf einem anderen Blatt. Vielleicht werden die Songs von „Minus“ nicht mehr als ein loser Bezugspunkt.

Diesmal wird er nämlich mit Elvin Brandhi aka Freya Edmondes auf der Bühne stehen, einer Sängerin, Produzentin und Bildenden Künstlerin. Blumberg hat noch nie zuvor mit ihr gearbeitet, findet einfach ihre Arbeit spannend: Zusammen mit ihrem Vater Mykl Jaxn macht Brandhi unter dem Projektnamen Yeah You krachig-elektronischen Bewusstseinsstrom-Lo-Fi-Pop. „Besonders, was sie mit ihrer Stimme anstellt, fasziniert mich“, erklärt Blumberg.

Man darf sich ihn wohl weniger als leidenden jungen Mann vorstellen, auch wenn seine Musik das zu transportieren scheint. Sondern als jemanden, der sich schnell langweilt. Und deshalb seine Hörer mit auf eine ziemlich interessante musikalische Reise nimmt.

Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer Donnerstags in der Printausgabe der taz

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