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Konzertempfehlung: Elektro-Jazz aus NorwegenEs blubbert dort und pocht

John Derek Bishop ist mit seinem experimentellen Ambient-Projekt Tortusa am Donnerstag im Madame Claude zu Gast.

Bishops Musik klingt, als würde man den Mond von einer Höhle aus ansehen – oder von einer Hütte Foto: Hans Edward Hammonds

Tortusas Musik kommt aus der Isolation, aus dem Rückzug. Sie ist ein Absinken in den eigenen Körper, in den man lauscht und der wiederum seine Umgebung resoniert. Es blubbert dort und pocht wie in „I Hear Myself in the Silence“, das anfänglich einen schnellen, gedämpften Basslauf verfolgt und der an ein stolperndes Hamsterherz erinnert.

Intime Sounds aus dem Innenreich bringt Tortusa hervor, aber es wäre eine Fehlannahme zu meinen, John Derek Bishop – so heißt Tortusa in Wirklichkeit – beschäftige sich ausschließlich damit, was denn so im Inneren passiert. Und möglicherweise tut er das auch überhaupt nicht und die acht Stücke, die es auf seinem ersten Album „I know this Place – The Eivind Aarset Collages“ anzuhören gibt, lassen diese Schlüsse lediglich zu.

Aber auch das erzählt etwas über diese Musik, die weit ist und schweift und sich dabei doch gleichzeitig so stark in sich selbst zurückzieht. „I know this Place“ ist vor einem Jahr auf dem norwegischen Label Jazzland erschienen und es ist eine ziemliche Ehre für Bishop, der als 15-Jähriger (geboren wurde er 1985) mit Elektro-Jazz in Kontakt kam. Bishop erklärt: „Ich habe zwar einen Hintergrund als Jazz-Bassist, fühlte mich der elektronischen Musik aber immer stark verbunden. Elektro-Jazz war einfach die Richtung, in der ich mich am wohlsten gefühlt habe.“

Würdigung eines Idols

Die musikalische Initiation fällt mit den Anfangsjahren von Jazzland zusammen, das 1996 von Pianist Bugge Wesseltoft gegründet wurde. Eine recht revolutionäre Truppe hatte der damals um sich geschart, unter anderem auch Eivind Aarset, ein Gitarrist, der sowohl Heavy-Metal als auch Jazz konnte und der als Solokünstler sein Debütalbum „Électronique Noire“ (1998) auf Jazzland veröffentliche. Ein ziemlich großartiges Album, das beginnt wie eine frühe Platte von Massive Attack und das im positiven Sinne arty ist, auch wegen der Trompete Nils Petter Molvaers.

Das Konzert

Tortusa/Neo Ferns: Madame Claude, Lübbener Straße 19, 9. 3., Einlass 19 Uhr, Start 21.30 Uhr, Eintritt: Spenden erbeten

„Électronique Noire“ gilt als Meilenstein des Nu-Jazz und folgenschwer war es sicher auch für John Derek Bishop, der aus der norwegischen Stadt Stavanger kommt. „I know this Place – The Eivind Aarset Collages“ ist, wie der Titel unschwer erkennen lässt, eine Würdigung jenes Mannes, den Bishop als sein „Idol“ bezeichnet: „Ich höre die Musik von Eivind Aarset schon sehr lange und bewundere ihn wegen seines einzigartigen Sounds und seines Gefühls für Musik.“

Die Kontaktaufnahme erfolgte einige Jahre später klassisch wie direkt: „Als Aarset einmal ein Konzert in Stavanger spielte, habe ich ihm eine E-Mail geschickt und ihn gefragt, ob er nicht einmal Lust hätte, mit mir zusammenzuarbeiten. Ich wollte seine Aufnahmen verwenden und etwas Neues daraus machen. Er war einverstanden! Drei Jahre habe ich an „I know this Place“ gearbeitet und Aarset immer wieder meine Stücke geschickt, sein Feedback eingeholt und so weiter. Auf zweien spielt er sogar selbst mit.“

Organisch von Fläche zu Fläche

Doch Bishop hat sich nicht darauf beschränkt, Teile aus Aarsets Jazzland-Katalog zu sampeln und zu mixen. In seinen Ambient-Sounds geht es auch um Natur, vornehmlich um den Wald, denn in der Nähe eines solchen ist „I know this Place“ entstanden, im Süden Norwegens, genauer in einer Hütte bei Egersund. Das gibt dem Album einen netten New-Age-Anstrich, aus der Kurve fliegt man hier bestimmt nicht.

Die Tracks entwickeln sich organisch von einer Fläche zur nächsten, es gibt Trompeten, die an Molvaer denken lassen, aber auch an den US-Amerikaner Jon Hassell, von dem sich sicherlich nicht nur Molvaer hat beeinflussen lassen. Hassells erstes Album „Vernal Equinox“ erschien 1977 und legte den Grundstein dafür, was Hassell „Fourth World“ nannte: ein Musikstil, in dem sich „uralte Weisheit“, „neueste Technologie“ und „organische Formen“ miteinander verbinden sollten.

Hassell nahm Alben mit Brian Eno auf („Fourth World, Vol. 1: Possible Musics“) und kollaborierte mit Peter Gabriel und David Sylvian (hörenswert: „Words With the Shaman“ mit Can-Bassist Holger Czukay). John Derek Bishop nennt als Einfluss auch den norwegischen Ambient-Musiker Biosphere (Geir Jenssen), dessen Arctic-Ambient-Album „Substrata“ ungefähr zu dem Zeitpunkt erschien, als Bishop sein Erwachen mit Eivind Aarset und Elektro-Jazz hatte.

Den Mond von einer Höhle aus ansehen

Mit Geir Jenssen verbindet John Derek Bishop neben der Musik aber auch die Fotografie. Für Booklet und Cover von „I know this Place“ hat Bishop Naturszenerien eingefangen, die ins Abstrakte verfremdet sind, Nachtaufnahmen, denen etwas Unheimliches und zugleich Friedliches innewohnt. Es sind Makroaufnahmen von Bachläufen und Blättern und ganz zu Anfang blickt ein Halbmond vom Himmel. Bishops Musik klingt, als würde man diesen Mond von einer Höhle aus ansehen (oder von einer Hütte) und Aarsets Gitarren-Plateaus (oder das, was Bishop als Tortusa aus ihnen gemacht hat) erscheinen weich, doch genauso distanziert.

Manchmal muss man an den Franzosen Jay Alanski denken und sein Projekt A Reminiscent Drive, denn sowohl Alanski als auch Bishop schicken einen hin und wieder in ein mysteriöses Tanger. Anderes ist Dance-lastiger, doch nicht sehr, ein bisschen wie Warps Artificial-Intelligence-Serie aus den frühen 90ern. Bishop scheint mehrfach verankert in dieser Dekade, was sich am 9. März in der Kreuzberger Bar Madame Claude gewiss wohltönend nachvollziehen lässt.

Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer Donnerstags in der Printausgabe der taz

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