Konzern aus China im Hamburger Hafen: Einfallstor für China?
Olaf Scholz hat die Beteiligung der chinesischen Staatsreederei Cosco an einem Containerterminal ermöglicht. Gegen Bedenken aus seinem Kabinett.
Der Hamburger Hafen ist der wichtigste Deutschlands und einer der größten Europas. Der Containerumschlag macht dabei knapp die Hälfte aller Schiffsanläufe aus. Hinter der aufgeregten Diskussion der vergangenen Woche steht also die Frage, ob die Hamburger China den Schlüssel zu Deutschlands Tor zur Welt in die Hand drücken würden.
Die Ampel einigte sich am Ende auf einen Kompromiss: Cosco darf 24,9 Prozent am Containerterminal erwerben. Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), der überwiegend im Besitz der Stadt befindliche Terminalbetreiber, hatte zuvor noch 35 Prozent verkaufen wollen.
Tollerort ist das kleinste von drei Containerterminals der HHLA in Hamburg. Darüber hinaus betreibt die Bremer Eurogate-Gruppe dort ein Containerterminal. Der Hamburger Senat wie auch der Bundeskanzler verweisen darauf, dass Grund und Boden, wie es in Hamburg Praxis ist, im Besitz der Stadt blieben.
Scholz wiegelt ab
Lediglich an der Suprastruktur aus Containerbrücken, Kränen und Fahrzeugen würde Cosco beteiligt. Ein falscher Einfluss auf die Infrastruktur sei daher „in diesem Fall in keiner Weise gegeben“, versicherte Scholz am Donnerstag in Athen.
Mit weniger als 25 Prozent hat Cosco weder eine Sperrminorität noch das Anrecht auf einen Geschäftsführerposten. Der Käufer dürfe sich auch nicht per Vertrag Vetorechte bei strategischen Geschäfts- oder Personalentscheidungen einräumen lassen, versicherte das Wirtschaftsministerium.
Cosco hatte für die 35-prozentige Beteiligung nach einer Mitteilung an die Hongkonger Börse 65 Millionen Euro geboten, was nun entsprechend weniger werden dürfte. Die Reederei erklärt sich der HHLA zufolge bereit, Hamburg im Zuge der Beteiligung zum „preferred hub“ in Europa zu machen: zum bevorzugten Anlaufpunkt für seine Containerverkehre.
Im Gegenzug erhält Cosco einen Anteil am Gewinn der Betreibergesellschaft und die Container der Reederei werden bevorzugt abgefertigt. „Die sichern zu, dass sie die Ladung zuerst nach Hamburg bringen, wir sichern zu, diese zuverlässig abzufertigen“, sagt HHLA-Sprecher Hans-Jörg Heims. Anders als bei einem „dedicated hub“, der für eine Reederei reserviert ist, würden aber nicht ständig Plätze für Cosco freigehalten.
Das Terminal stehe weiterhin anderen Reedereien offen. Im Konfliktfall etwa eine taiwanesische Reederei an der Abfertigung zu hindern, sei nicht möglich, versichert Heims. „In einem Krisen- oder Konfliktfall ergeben sich daraus für den chinesischen Investor keine Handlungsoptionen, die nicht ohnehin bestehen – wie ein Abzug von Ladung oder das Einstellen des Anlaufens des Hamburger Hafens“, sagt eine Sprecherin der Hamburger Wirtschaftsbehörde.
Im Übrigen habe sich Cosco bereits in andere europäische Häfen eingekauft. Hamburg das zu versagen „wäre eine schwere Belastung für den Wirtschaftsstandort und eine einseitige, wettbewerbsverzerrende Benachteiligung“.
Dabei ist der Hamburger Hafen ohnehin schon unter Druck, weil sich der Ausbau der Elbfahrrinne verzögert und auch nicht zum gewünschten Ergebnis geführt hat. Dazu kämen Staus bei der Bahn und mangelnde Effizienz, sagt Burkhard Lemper vom Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logisik (ISL).
„Vom Prinzip her“ sei die jetzt gewählte Lösung „ziemlich ungefährlich“, urteilt Lemper. Das Problem sei nicht diese eine Beteiligung. „Es geht eher um die Frage, ob man die relativ aggressive Politik Chinas unterstützen möchte“, sagt Lemper.
Für Rolf Langhammer vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IFW) besteht das Problem darin, „dass Cosco ein zentraler Akteur in der chinesischen Strategie der digitalen und maritimen Seidenstraße ist“.
Die Macht der Reeder-Allianzen
Über die vielen Hafenbeteiligungen könnte Cosco eine marktbeherrschende Stellung bei der Abwicklung des globalen Handels erreichen. Zudem wolle Cosco mit anderen chinesischen Partnern die Digitalisierung des globalen Transports vorantreiben und damit eine sehr starke Position im globalen Transport einnehmen.
HHLA-Sprecher Heims versichert, mit einer Beteiligung an Tollerort könne Cosco nicht auf sensible IT und Kundendaten zugreifen. „Unsere IT ist nicht in der Beteiligungsgesellschaft von Tollerort verankert, sondern in der Holding“, sagt er.
Alle Häfen seien mit der Marktmacht von vier großen Reedereiallianzen konfrontiert, sodass es sich Hamburg nicht leisten könne, Cosco zu verlieren. „Durch die Vereinbarung mit Cosco stellen wir sicher, dass sie uns weiterhin anlaufen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands