Konzept fürs Berliner Humboldt-Forum: Frei vermitteln ist das große Ding
Nun ist raus, was im wiederaufgebauten Stadtschloss geschehen soll. Die Leitung des Humboldt-Forums präsentierte ihre Pläne.
In drei Jahren soll das wichtigste Kulturvorhaben der Bundesrepublik stehen. Im Kleinen geht es allerdings sofort los mit dem Humboldt-Forum. Das jedenfalls war die Botschaft, die der Leiter des Forums, Neil MacGregor, am Mittwoch im künftigen Auditorium des Schlosses dem versammelten Publikum verkündete.
„Es ist so viel geredet und geschrieben worden. Nun ist es an der Zeit, zu praktischen Beispielen zu kommen, was das Humboldt-Forum leisten kann“, erklärte der frühere Direktor des British Museum in London. MacGregor hat seit diesem Jahr zusammen mit Hermann Parzinger, dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), und dem Kunsthistoriker Horst Bredekamp die kuratorische Gesamtverantwortung für das Projekt.
Einen Vorausblick bieten ab sofort wechselnde Ausstellungen, die direkt nebenan in der temporären „Humboldtbox“ präsentiert werden. Die erste heißt „Extreme! Natur und Kultur am Humboldtstrom“ und bezieht sich auf die Forschungen Alexander von Humboldts während seiner Amerikareise 1799 bis 1804, die ihn auch in die Küstenregion Perus brachte. Sie ist sogleich der Versuch, die Sammlungen aus dem 19. Jahrhundert – vom Totenbündel über getrocknete Kräuter und konservierte Meerestiere – mit aktuellen Fragen wie den Auswirkungen des Umweltphänomens El Niño zu verbinden.
Von Kräuterbündeln zum Klimawandel
Der Anspruch an das Humboldt-Forum ist riesig: Es geht um nichts weniger als die Verflechtung der Weltkulturen, die Übertragung Humboldt’scher Ideen in die Gegenwart, die Schaffung eines Universalmuseums auf der Höhe der Zeit. Über hundert Journalisten und Gäste drängelten sich dann auch im betongrauen, nasskalten Schlossrohbau, um zu hören, welche Ideen die Intendanten in den ersten Monaten ihres Tuns entwickelt haben.
Der wichtigste der Vorschläge, der dann auch mit einem spontanen Zwischenapplaus goutiert wurde: Der Eintritt ins Museum ist frei. Alexander von Humboldt, einer der Namensgeber der neuen Institution, habe einst gesagt: „Ideen können nur nutzen, wenn sie in vielen Köpfen lebendig sind.“
Überall dort, wo freier Eintritt praktiziert wird – etwa im Victoria & Albert Museum in London – habe sich herausstellt, dass besonders die Anwohner und nicht nur die Touristen das Museum nutzen, so die Begründung.
Der nächste Punkt: Nachdem bereits die einst geplante Zentral- und Landesbibliothek aus der Beletage des Schlosses verdrängt wurde, zugunsten einer Berlin-Ausstellung, die der Holländer Paul Spies erarbeitet, wird nun auch die Kunstbibliothek ersetzt. Hier findet sich nun die Humboldt-Akademie, das „Basislager für die Weltreise“ wie es MacGregor sagt, die das Humboldt-Forum mit seinen Sammlungen und Ausstellungen sein will. Ein Bildungsraum, der sich der Kulturtechnik des Sammelns und der Aneignung von Wissen verschreiben soll.
Konzeptionell wohl am wichtigsten: Geplant ist ein neuer Typ von Ausstellung, der das Humboldt-Forum definieren soll, indem er den Kontext der Ausstellungsobjekte betont. Dazu sollen grundsätzlich alle Berliner Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz herangezogen und auch die technischen Museen eingeladen werden.
Ein solches interdisziplinäres Konzept ist keine Weltneuheit, allerdings könnte es in Berlin mit dem Reichtum der hier vorhandenen Sammlungen auf Dauer gestellt werden.
Kooperation mit der Berlinale
Eigentlich, versteht man den Kunsthistoriker Bredekamp recht, ginge man damit auf das zurück, was den Weltruhm der Humboldt-Universität begründete: dass sie „ein Museum mit angeschlossenem Lehrbetrieb war“, wie er sagte. Vermittlung soll also das große Ding des Humboldt-Forums werden, und deshalb kommt es den Leuten entgegen. Daher will das Forum einzelne Objekte in die anderen Bezirke der Stadt schaffen, um sie den Kiezbewohnern nahezubringen.
Dazu gibt es Kooperationen mit der Berlinale, an kuratierte Filmreihen außerhalb der Berlinale-Zeiten etwa zum indigenen Film, man will mit der Internationalen Gartenbauausstellung in Marzahn kooperieren.
In Marzahn, einer Hochburg der Wutbürger, ließe sich die Probe aufs Exempel machen, ob das Humboldt-Forum als Initiationsort des Weltbürgers taugt, wie es Kulturstaatsministerin Monika Grütters sieht.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?