Kontrollen an deutschen Außengrenzen: Klagen gegen Ausweiskontrollen im Zug
Drei Reisende klagen gegen die Kontrollen an der Grenze nach Österreich und nach Frankreich. Und sie haben durchaus Aussicht auf Erfolg.
„Wir wollen einen Stopp der rechtswidrigen Grenzkontrollen an allen deutschen Grenzen erreichen“, sagte Laura Kuttler von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) bei der Vorstellung von drei entsprechenden Klagen, die die GFF unterstützt. Teilweise geht es bei den Klagen auch um Racial Profiling, also die Kontrolle ausschließlich wegen ethnischer Merkmale wie der Hautfarbe.
Grundsätzlich sind Grenzkontrollen zwischen den EU-Staaten verboten. Das regelt der Schengener Grenzkodex der EU. Die Reisefreiheit ohne Schlagbäume ist eine der wesentlichen Errungenschaften der EU. Nur in Ausnahmefällen erlaubt der Grenzkodex die Wiedereinführung von Kontrollen.
In Deutschland sind Grenzkontrollen aber nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Seit September 2024 wird an allen deutschen Außengrenzen systematisch kontrolliert, wenn auch meist nur stichprobenhaft. An der Grenze zu Österreich wurden die Kontrollen bereits 2015 eingeführt, an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz im Oktober 2023.
Die GFF will nun mit drei von ihr unterstützten Klagen die gerichtliche Feststellung erreichen, dass die Grenzkontrollen an der deutsch-französischen und der deutsch-österreichischen Grenze rechtswidrig sind und alle Betroffenen in ihren Rechten verletzen. Die Klagen sind exemplarisch; wenn sie Erfolg haben, gibt es wohl auch keine Rechtfertigung für Kontrollen an den übrigen sieben deutschen Grenzen.
Tatort: deutsch-österreichische Grenze
Geklagt hat zum einen die syrische Journalistin Sandra Alloush, die seit 2015 in Frankreich lebt. Sie wurde im Juni 2025 am Grenzbahnhof Kehl kontrolliert. Sie reichte ihre Klage an diesem Mittwoch beim Verwaltungsgericht Stuttgart ein.
Die beiden anderen Klagen betreffen die deutsch-österreichische Grenze. Der Rechtsprofessor Werner Schroeder wohnt in München und lehrt in Innsbruck, fährt also regelmäßig über die Grenze. Im Juni 2026 musste er sich im Zug zwischen Kufstein und München ausweisen, unzulässigerweise, wie er findet. Einen Monat später wurde im Zug bei Freilassing ein Nigerianer kontrolliert, der anonym bleiben will, sich aber auch gegen die Kontrolle wehrt. Hier ist jeweils das Verwaltungsgericht München zuständig.
An der deutsch-österreichischen Grenze wird schon seit 2015 kontrolliert. Das EU-Recht erlaubt Grenzkontrollen aber höchstens drei Jahre lang. Längere Kontrollen sind nur möglich, wenn eine neue Gefahr auftaucht. Das hat der Europäische Gerichtshof 2022 in einem Urteil zu österreichischen Grenzkontrollen festgestellt. Da die Kontrollen nach wie vor mit illegaler Migration begründet werden, sind die Obergrenzen längst überschritten, argumentiert Anwalt Christof Tometten, der alle drei Kläger vertritt. Im April diesen Jahres hatte der Verwaltungsgerichtshof München bereits festgestellt, dass die Grenzkontrollen nach Österreicht schon im Jahr 2022 rechtswidrig waren.
Nicht ganz so eindeutig ist die Lage an der deutsch-französischen Grenze, wo die Kontrollen erst im September 2024 eingeführt wurden. Doch Anwalt Tometten sieht keinen Grund für die damalige Installierung von Grenzkontrollen. „2024 lag die Zahl der unerlaubten Einreisen ein Drittel niedriger als im Jahr davor.“ Und weil schon die Einführung der Kontrollen rechtswidrig war, sei auch die seither halbjährlich erfolgte Verlängerung rechtswidrig – zumal die Zahlen inzwischen weiter sanken.
Vorwürfe der Polizeigewalt
Sandra Alloush klagt zudem gegen ihre Behandlung durch die Bundespolizei. Obwohl sie sich durch eine französische Aufenthaltsberechtigung ausweisen konnte, musste sie aussteigen und mit auf die Wache kommen. Als sie sich zeitweise weigerte, wurde sie von den Polizisten hart angefasst, ein Beamter soll gedroht haben, ihr den Arm zu brechen. Auf der Wache in Kehl musste sie sich nackt ausziehen und wurde von zwei Beamtinnen untersucht.
Ihr Anwalt Tometten hält die Maßnahmen für völlig unverhältnismäßig und rechtswidrig. Alloush sagt, sie sei durch die Polizeimaßnahmen in Panik geraten und retraumatisiert worden. Sie hält es auch für möglich, dass sie wegen ihres arabischen Aussehens so rüde behandelt wurde. Später will sie die Polizei auf Schadenersatz verklagen.
Auch der Nigerianer klagt nicht nur gegen die Grenzkontrollen an sich, sondern moniert auch unzulässiges Racial Profiling. Im gut gefüllten Zugabteil sei er der einzige Schwarze Fahrgast gewesen – und als einziger kontrolliert worden.
In keinem der Fälle ging es um die im Mai 2025 von Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) eingeführten Zurückweisungen von Asylsuchenden an der Grenze. Das Verwaltungsgericht Berlin hat bereits im Juni in einem ausführlich begründeten Eilbeschluss festgestellt, dass solche Rückweisungen rechtswidrig sind. Die Bundespolizei führt sie dennoch fort.
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