Kontrolle von Rüstungsexporten: Bundestag darf weiter abnicken
Wortreich hatte die SPD im Wahlkampf mehr Transparenz und Mitspracherecht bei Rüstungsexporten gefordert. Davon ist nicht viel übrig geblieben.
BERLIN taz | Der Bundestag soll künftig zwei Rüstungsexportberichte der Regierung bekommen statt bloß einen. Und es wird eine „zeitnahe“ Unterrichtung des Bundestags über genehmigte Waffenausfuhren geben.
Das ist alles, was die Große Koalition unter verbesserter Rüstungsexportkontrolle versteht. Es bleibt weit hinter allem zurück, was die SPD, aber auch Teile der Union, bis zum Wahltag im September 2013 verlangten. „Alles bleibt beim Alten: Es gibt weder Transparenz noch Mitsprache des Bundestags bei Rüstungsgeschäften“, interpretiert die grüne Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger eine entsprechende Antwort der Bundesregierung auf ihre Kleine Anfrage. „Die SPD ist komplett vor der Union eingeknickt, sie hat ihren Ehrgeiz und ihre Glaubwürdigkeit verloren“, ergänzt sie.
Ein möglicher – bis heute aber nicht bestätigter – Export von Leopard-II-Panzern nach Saudi-Arabien entfachte im Sommer 2011 eine Debatte über deutsche Rüstungsexporte. Neben Grünen und Linkspartei forderte auch die SPD eine verschärfte Kontrolle: Entscheidungen gehörten nicht nur in den klandestinen Bundessicherheitsrat, in dem das halbe Kabinett sitzt. Vielmehr brauche es einen Bundestagsausschuss mit Einblick und Einfluss.
So sagte zwei Tage vor der Bundestagswahl der SPD-Wirtschaftspolitiker Klaus Barthel im Deutschlandradio: „Wir brauchen ein Gremium, das zunächst mal vertraulich informiert werden muss vor wichtigen anstehenden Entscheidungen“ und das die Bundesregierung zwingen dürfe, ihre Entscheidungen „der Öffentlichkeit gegenüber zu begründen“.
Flapsige Sozialdemokraten
Was Brugger nun bestürzt, ist auch die Flapsigkeit, mit der die Wirtschaftsstaatssekretärin Brigitte Zypries (SPD) ihre Anfrage beantwortet: Zypries schrieb im Wesentlichen die Passagen über den Rüstungsexportbericht aus dem Koalitionsvertrag ab. Auch seien die „notwendigen organisatorischen Vorkehrungen getroffen“, um den 2013er Bericht tatsächlich auch „vor der Sommerpause 2014 vorzulegen“, so Zypries. Und zu den 100 Patrouillenbooten für Saudi-Arabien, deren Exportgenehmigung der heutige SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann noch 2013 geißelte, sei alles gesagt.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) rechtfertigte den Export dieser Boote jüngst damit, dass das saudische Regime eigene Bürger nicht damit bekämpfen werde. Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich erklärt die neue Haltung der SPD zur Rüstungskontrolle so: „Was soll ich machen? Wir sind in den Koalitionsverhandlungen nicht durchgekommen.“
Die Patrouillenboote der Bremer Lürssenwerft für Saudi-Arabien „sehe ich trotzdem kritisch“, ergänzte er. „Aber ich sehe hier auch die Not des Wirtschaftsministers“, Entscheidungen der Vorgängerregierung durchzuziehen. Mützenich hofft, dass die Koalition von nun an die Exporte restriktiver handhabt. Er möchte Gabriel „lieber an zukünftigen Entscheidungen messen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid