Kontaktbeschränkung in Pflegeheimen: Besuch von nur einem Menschen
Noch immer gelten strenge Auflagen für Besuche in Bremer Altenheimen. Der Besuch ist nur einer einzigen Bezugsperson einmal pro Woche erlaubt.
Zu eng finden manche diese Bedingungen. „Welch ein unlogischer Irrsinn angesichts der Öffnungen bezüglich Reisefreiheit ins europäische Ausland und privater Zusammenkünfte“, schreibt eine taz-Leserin, deren Mutter in einer Einrichtung lebt. Auch die Caritas und die Sozialbehörde berichten von Beschwerden der Angehörigen. „Jetzt, wo überall gelockert wird, sind die Regeln schwerer zu vermitteln“, so Martina kleine Bornhorst vom Vorstand der Caritas.
Tatsächlich hatte die Sozialbehörde Anfang Mai weitergehende Ideen: Ein bis zwei Stunden am Tag müsse Besuch möglich sein, von unterschiedlichen Personen. Diese Lockerungen waren bereits als Verhandlungsgrundlage für eine Senatssitzung angekündigt – doch nicht mit den Trägern der Heime abgesprochen. Die beschwerten sich: Mit derart vielen Besuchen seien die Einrichtungen überfordert. Schließlich einigten sich Behörde und Vertreter der Heime auf die nun geltenden Einschränkungen.
Für Reinhard Leopold von der Angehörigen-Vertretung „Heim-Mitwirkung“ richten die Regeln größeren Schaden an, als sie verhindern. „Die Lebenszeit der Menschen in den Heimen ist sehr begrenzt“, sagt er. „Wenn ich so wenige Besuche zulasse, geht der letzte Lebensmut verloren.“
Reinhard Leopold, Angehörigen-Initiative „Heim-Mitwirkung“
Für Sterbende gelten andere Besuchsregeln. Aber wann gilt ein Mensch als Sterbender? Leopold berichtet von einem Mann in der letzten Stufe der Parkinson-Krankheit, der seinen Sohn nicht sehen darf. „Wie viel Kollateralschäden soll man zulassen?“.
„Allen ist klar, dass das unglaublich harte Regelungen für alle Beteiligten sind“, meint Bernd Schneider, Sprecher von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne). „Tragisch“ sei die Pflicht, sich für einen einzigen Besucher zu entscheiden, ein „Eingriff in die Freiheitsrechte“. Aber: „Wer im Heim lebt, ist mit seiner Entscheidung nicht nur für sich verantwortlich“, so Schneider. „Man trägt Verantwortung für andere Bewohner.“ Die Sozialbehörde müsse auf die Bedenken der Träger eingehen: „Der Preis sonst sind im Zweifel Menschenleben.“
Die Bewohner*innen gehören zum überwiegenden Teil zur Risikogruppe: Von den bekanntermaßen infizierten Menschen über 80 starben in Bremen etwa 28 Prozent. Bei Pflegeheimbewohner*innen liegt das Durchschnittsalter bei über 85 Jahren. „Uns sind diese Menschen anvertraut“, erklärt kleine Bornhorst, „die Beschränkungen sind ein notwendiger Baustein, um ihre Gesundheit aufrecht zu erhalten“.
In Bremen gab es bereits Corona-Infektionen in zehn Heimen, in mindestens zweien davon größere Ausbrüche. Bernd Schneider ist nach den Erfahrungen dort trotzdem einigermaßen zuversichtlich: „Es gelingt mit strengen Maßnahmen, eine Infektion einzudämmen, wenn der erste Fall früh genug gemeldet wird“, so der Sprecher.
Kleine Bornhorst ist sich da weniger sicher. Natürlich gebe es Hygieneregeln und Konzepte, um Infizierte von Nicht-Infizierten zu trennen. Doch ob das reiche, um Bewohner*innen zu schützen, wenn der Virus im Haus ist, wisse sie nicht: „Wir können das Geschehen im Worst Case nicht aufhalten.“ Schließlich seien zahlreiche Bewohner*innen auch kognitiv eingeschränkt und könnten sich nicht an alle Abstandsregeln halten. Und nicht jede*r Infizierte zeige Symptome.
Lockern nur im Tausch gegen mehr Tests
Während die Sozialbehörde über erweiterte Besuchsregeln nachdenkt, stellt kleine Bornhorst dafür klare Bedingungen auf: „Für jede Lockerung, die wir im Pflegeheim bekommen, bestehe ich auf wöchentliche Testung von Mitarbeitern und Bewohnern“, sagt sie.
Hier scheint Einigung möglich: Die Gesundheitsbehörde hat diese Woche mehr Tests, auch in Heimen, angekündigt. Leopold bringt noch einen anderen Vorschlag ins Spiel: „Warum kann man im Pflegeheim nicht eigene Zonen einrichten“, fragt er, „für diejenigen, die das Risiko eingehen wollen? Erwachsene müssen doch mündige Entscheidungen treffen dürfen.“
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