Konsumkritik und CO₂-Kompensation: Nicht gut, aber ein Anfang
CO₂ zu kompensieren ist besser als nichts und beruhigt das Gewissen. Aber warum nur beim Fliegen? Es könnte Vorbild für andere Ökosünden sein.
A lle Jahre wieder, kurz vor Weihnachten, ist mein schlechtes Gewissen garantiert: Klimakonferenz, meist irgendwo weit weg, und im Zweifel steige ich ins Flugzeug. Das schlechte Gewissen, das sich neben mir auf dem Economy-Sitz breitmacht, knebele ich mit folgenden Überlegungen: Jemand muss von den Konferenzen berichten, sonst schaffen die da noch weniger. Privat fliege ich kaum. Und: Ich zahle ja eine Kompensation. Übrigens privat, nicht auf Kosten der taz.
Beim „Kompensieren“ über Anbieter wie „myClimate“ oder „Atmosfair“ werden Projekte finanziert, die anderswo CO2 in der Höhe vermeiden, wie ich sie anteilig durch meinen Flug erzeuge. Konkret: Einmal Lima zur COP 24 im Jahr 2014: 6,1 Tonnen CO2, 142 Euro. Manche nennen das „Klima-Ablasshandel“. Soll heißen: Das funktioniert wie die Praxis der katholischen Kirche im Mittelalter, den Menschen ihre Sünden gegen Geld zu vergeben. Wer genug Geld hatte, konnte fröhlich weitersündigen.
Bei mir klappt das nicht. Ein gutes Gewissen stellt sich nicht ein, wenn ich aus dem Kabinenfenster die Turbinen sehe und an das verbrannte Kerosin denke. Ich weiß auch: Nicht alle Anbieter sind so seriös wie meine Auswahl, deren Arbeit überprüft wird. Heute pflanzt ja noch der letzte Onlineshop irgendwo Bäume, um sein Paket „klimaneutral“ zu nennen. Atmosfair nicht, da fließt das Geld etwa in Biogasanlagen in Afrika, um CO2 zu vermeiden und den Menschen vor Ort ein besseres Leben zu garantieren.
Alle Kompensationen haben ihre Probleme: Erst einmal ist mein CO2 in der Luft – bis ein neuer Ofen oder ein Baum über seine Lebenszeit so viel Treibhausgase bindet, wie ich in 12 Stunden ausstoße, war ich schon bei Dutzenden anderen Konferenzen. Der Baum kann gefällt werden, der Ofen kann kaputtgehen. Das Geld kann irgendwo versacken. Die Strukturen, die die Emissionen verursachen, ändern sich nicht.
Kompensieren ist besser als nichts
Nur reiche Menschen, weltweit höchstens 10 Prozent der Weltbevölkerung, gönnen sich den Luxus, die Atmosphäre durch Fliegen zu versauen und durch das Bezahlen dafür ein bisschen weniger zu schädigen. Dadurch greift ein Denken um sich, man könne auch den Umweltsch(m)utz ökonomisieren: Wenn es was kostet, verschwindet das Problem, lautet diese Scheinlösung.
Und trotzdem bin ich für das Kompensieren. Erst einmal ist es besser als nichts. Zweitens setzt es das Prinzip um, dass der Verursacher von (Umwelt-)Schäden sie wieder ausgleichen soll – zumindest ein bisschen. Drittens macht es latent ein schlechtes Gewissen, was bei anderen Entscheidungen (SUV oder E-Mobil) helfen kann. Es bringt zumindest ein bisschen Geld in Regionen und Projekte, die es nötig haben.
Vor allem aber kann hier das Fliegen zum Vorbild werden. Wir sollten uns daran gewöhnen, auch andere Ökosünden auszugleichen. Wer mit seinem Straßenpanzer 20.000 Kilometer im Jahr fährt, sollte sich auf eine saftige Rechnung gefasst machen. Denn diese Schäden werden keineswegs durch Steuern ausgeglichen, die er zahlt. Wer Fleisch isst, wer im Garten Heizpilze entzündet, wer immer noch keinen Ökostrom bezieht – kommt alles auf die Rechnung. Wenn wir denken, alles sei eine Frage des Geldes, dann bitte konsequent. Mal sehen, wie grün uns der Geldbeutel machen kann. Wenn das Kompensieren beim Fliegen dafür ein Anfang ist, kann auch ein schlechtes Gewissen Gutes bewirken.
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