Schon erstaunlich: so umfassend dieser Artikel gedacht ist, so spürbar das Bemühen wird, dem Konsumenten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen; es fehlt ihm eine wesentliche Dimension. Die Passivität nämlich bleibt unerwähnt.
Konsum ist, allen anders lautenden Beteuerungen des Handels zum Trotz, kein rein aktiver Vorgang. Er ist ein Vorgang, der aufmerksam beobachtet wird und der in der Regel Folgen hat. Und wie bei jedem kommunikativen Prozess kommt es auch dabei hin und wieder zu bedauerlichen, ärgerlichen, unerkannten und sonstigen Missverständnissen.
Es gibt keine Identität abseits sozialer Netze. Voraussetzung dafür, dass es Menschen gelingt, sich eine Identität zusammenzukaufen, ist, dass ihre jeweilige Kaufentscheidung auf erkennbare Zustimmung bzw. Ablehnung der soziale Umgebung trifft. Eine Entscheidung, die nicht wahrgenommen wird, ist mit Blick auf die eigene Identität eine vergleichsweise sinnlose Entscheidung. Eine wahrgenommene Entscheidung hingegen ist eine auch von Beobachterseite mitunter geradezu mit Sinn überfrachtete Entscheidung. Selbst dann noch, wenn sie eigentlich gar keine war, sondern ?bloß? einer dem (konsumistisch geschulten) Beobachter nicht sichtbaren Kausalität geschuldet ist. Will sagen: Ob das Nichtkonsumieren eine Person zu einem ?besonders exaltierten? Mitglied einer ?Stilgemeinschaft? von ?Konsumkritikern? oder schlicht zur unscheinbar-grauen Maus ohne Geschmack und Talent macht, hängt von vielen Faktoren ab. Zuletzt wohl von den tatsächlichen Gründen, die diese Person fürs Nichtkonsumieren hatte.
Wenn der Frankfurter Sozialphilosoph Axel Honneth behauptet, es sei ?heute kaum mehr vorstellbar, dass Individuen zu einer sozialen Identität gelangen, ohne diese in einem Ensemble persönlich konsumierter Güter auszudrücken", dann muss man diese Behauptung um ihr Gegenteil ergänzen. Kaum vorstellbar ist es nämlich im Zeitalter des Brandings, des Product-Placement und der Image-Kampagnen auch, dass ein Individuum Güter materieller oder ideeller Art konsumiert (oder auch genau das nicht tut), ohne dass ihm daraufhin eine soziale Identität angedichtet wird. Das Ins-Verhältnis-Setzen ist schließlich nie eine nur einseitige Angelegenheit gewesen. Wer wüsste das besser, als unsere Marktforscher?
Der Mensch ist noch immer nicht in der Lage, sich aus dem Nichts heraus selbst zu erschaffen. Was "ich" ist in uns, bestimmen wir nicht allein. Das mag aus emotionaler Wartet bedauerlich sein, hat jedoch handfeste ökonomische Folgen. Am Markt gehandelte Allmacht, denke ich, würde ihren Erfinder nicht nur steinreich machen, sondern auch unglaublich beliebt. Die Erbauer innerstädtischer oder außerörtlicher Mega-Shopping-Malls können das nicht in jedem Fall von sich behaupten. Hoffe ich zumindest.
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