Konservative in Frankreich: Ewige Nummer zwei wird Parteichef
Die Partei Les Républicains bekommt mit Eric Ciotti einen neuen Chef. Er vertritt eine harte Linie in der Immigrations- und Sicherheitspolitik.
Ciotti war der Favorit gewesen, denn er hatte intern die Unterstützung der Prominenten bekommen, die von sich behaupten können, das politische Erbe von Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy zu bewahren. Das waren damals freilich noch andere Zeiten, als die Konservativen den Staatschef stellten und sich auch auf klare Mehrheiten und eine soziale Basis in der Bevölkerung stützen konnten.
Zu solch Macht und Einfluss möchte Ciotti seine Partei zurückführen. Der Politiker aus Nizza war bisher immer nur die Nummer zwei. Er diente seinem heute ärgsten lokalpolitischen Rivalen Christian Estrosi zunächst als parlamentarischer Assistent, als dieser Abgeordneter war. Danach war er dessen rechte Hand, als der den Vorsitz des Departements Alpes-Maritimes übernahm und danach Bürgermeister von Nizza wurde.
Doch seitdem ist Estrosi – wie zahlreiche vormals prominente LR-Politiker – ins Lager von Staatspräsident Emmanuel Macron gewechselt. Ciotti musste sein 2012 erstmals errungenes Mandat als Abgeordneter der Nationalversammlung im letzten Juni in einem erbitterten Wahlkampf gegen Estrosis Kandidaten verteidigen.
Partei am (vorläufigen) Tiefpunkt
Im Herbst 2021 versuchte er vergeblich von seiner Partei als Präsidentschaftskandidat nominiert zu werden. Er unterlag in der Stichwahl gegen Valérie Pécresse. Doch deren Ergebnis von lediglich 4,78 Prozent der Stimmen bei der Präsidentschaftswahl im April 2022 markierte einen (vorläufigen) Tiefpunkt für die Konservativen.
Seit Sarkozys gescheitertem Versuch 2012 als Präsident wiedergewählt zu werden, ging es für Les Républicains von Wahl zu Wahl bergab. Zwischen der breiten Mitte von Macrons Regierungsparteien und der weiter erstarkten extremen Rechten bleibt für eine konservative Rechte nicht viel Spielraum. Dass im Juni immerhin noch 62 LR-Abgeordnete in die Nationalversammlung einziehen konnten, wurde schon fast als unverhoffter Erfolg gefeiert.
Ciotti kommt aus einer einfachen, ursprünglich aus Italien stammenden Familie, konnte aber an der renommierten Hochschule in Paris (Science-Po) Politik studieren, was ihm eine Laufbahn im Staatsdienst öffnete. Seine Ambitionen, es bis in den Elysée-Palast zu schaffen, hat er einstweilen beerdigt. Denn er spricht sich für eine Kandidatur des konservativen Ex-Ministers Laurent Wauquiez im Jahr 2027 aus. Dieser hat sich im Gegenzug für Ciottis Wahl als Parteimanager ausgesprochen. Die Konservativen hatten bei ihrer Wahl so quasi ein Zweier-Ticket im Angebot.
Vor der Wahl gibt es plötzlich viele Neumitglieder
Ein Herz und eine Seele werden Frankreichs Konservative auch in Zukunft nicht sein. Denn noch vor dem zweiten Wahlgang waren Zweifel an der Organisation der Abstimmung aufgekommen. Laut einem Bericht von Libération waren vor allem aus Ciottis Region verdächtig viele Neue speziell für diese Wahlen eingeschrieben worden. Auch wird in diesem Zusammenhang von notorischer Begünstigung gesprochen: „Wer eine Wohnung oder einen Kinderkrippenplatz sucht, ist gut beraten, LR-Mitglied zu werden.“
Vor den Wahlen hatte sich die Zahl der Parteimitglieder verdoppelt. Einer Sonntagszeitung war es sogar gelungen, im Namen von zwei als Mitglieder zugelassenen Katzen Stimmen abzugeben. Ins Zwielicht ist Ciotti zudem geraten, weil seine Ex-Frau, die er lange als Assistentin beschäftigt hatte, wegen unrealistischer Häufung von Jobs im Verdacht der Unterschlagung öffentlicher Gelder steht. Ciotti sah darin bloß Intrigen seiner internen Gegner.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe