Konjunktur: Der Osten bleibt hintendran
Nur Berufsoptimisten können glauben, dass der Osten bald zum Westen aufschließt. Selbst der Erholungsprozess verläuft dort langsamer, zeigt eine neue Untersuchung.
Die ostdeutsche Wirtschaft sei besser mit der Krise zurechtgekommen, weil sie flexibler und weniger exportabhängig ist. Das meinten bislang die Berufsoptimisten in Politik und Wirtschaft. So titelte die Thüringer Allgemeine noch vor drei Tagen: "Ost-Wirtschaft kommt ohne Schrammen durch die Krise". Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hat nun nach empirischen Belegen geforscht. Ergebnis: "Die Tiefe der Krise wurde bislang im Osten unterschätzt", sagt IWH-Ostexperte Udo Ludwig. Der Rückschlag wirft auch den Aufholprozess gegenüber der westdeutschen Wirtschaft stärker zurück als erwartet.
Der "Arbeitskreis Konjunktur Ostdeutschland" unter Vorsitz Ludwigs konstatiert zwar seit Mitte 2009 wieder eine allmähliche Erholung auch der Wirtschaft in den ostdeutschen Ländern, vor allem in der Industrie. Weil aber die Industrialisierung strukturell weiterhin deutlich hinter der des Westens zurückbleibt, verläuft dieser Prozess immer langsamer. Außerdem kehrt sich ein vermeintlicher Vorzug nun um: War die Wirtschaft im Osten zunächst weniger krisenanfällig, weil sie so wenig auf den Export ausgerichtet ist, so profitiert sie nun auch nicht davon, dass ausgerechnet der nun wieder anzieht.
Gemessen an der Tiefe des Einbruchs habe sich die ostdeutsche Wirtschaft als "bemerkenswert robust" erwiesen, lautet eine weitere positive Einschätzung. Allerdings fällt bei nüchterner Betrachtung der Tiefstand vom Jahresbeginn 2009 mit minus 5,8 Prozent nur geringfügig besser aus als der westdeutsche Wert von minus 6,4 Prozent. Besonders betroffen waren das Verarbeitende Gewerbe oder die Automobilindustrie mit einem Rückgang von jeweils 15 Prozent.
Die Interpretation dieser statistischen Angaben und die Prognosen des IWH decken sich weitgehend mit der jüngsten Vorschau, die die Dresdner Zweigstelle des Konkurrenzinstituts ifo regelmäßig herausgibt. So hat sich der vergleichsweise geringere Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um nur 3,5 Prozent nicht positiver auf die Beschäftigungslage ausgewirkt. Krisenbedingte Entlassungen konnten nicht durch Einstellungen im Dienstleistungssektor ausgeglichen werden. Auch der private Konsum war stärker betroffen.
Wesentlich ist jedoch, wie die Konjunkturexperten den einsetzenden Erholungsprozess einschätzen: "Eine Trendumkehr, nämlich dass die neuen Länder wieder schneller wachsen wie in den neunziger Jahren, ist nicht in Sicht", sagt Ludwig. Mit anderen Worten bedeutet das: Der Ost-West-Abstand bleibt oder wächst sogar, der Aufholprozess stagniert wieder.
Für das laufende Jahr rechnet das ifo-Institut mit einem Wachstum des ostdeutschen Bruttoinlandsprodukts von nur 1,1 Prozent, das IWH mit 1,5 Prozent -zum Vergleich: Für den Westen nehmen sie 2 Prozent Plus an. So dürfte beispielsweise das Baugewerbe wieder schrumpfen, das vorläufig noch vom Zukunftsinvestitionsprogramm des Bundes profitiert.
Die Wirtschaftsleistung je Einwohner wird deshalb beim Anteil von nur 70 Prozent gegenüber Westdeutschland verharren, Löhne und Gehälter bleiben weiterhin um rund 20 Prozent zurück. Einziger Trost: Die Arbeitslosigkeit im Osten dürfte leicht zurückgehen, allerdings wegen der geburtenschwachen Jahrgänge allein aus demografischen Gründen.
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