Kongo: Flucht vor Armee, Milizen, UNO
Uganda meldet 10.000 Flüchtlinge in zwei Tagen. Ostkongos Chaos nützt irregulären ruandischen Hutu-Milizen.
BERLIN taz Berichte über eine Massenflucht aus der Demokratischen Republik Kongo nach Uganda haben die internationale Sorge um die Stabilität des Kongo verschärft. Die Behörden in Kisoro im Südwesten Ugandas meldeten am Mittwoch die Ankunft von 10.000 Flüchtlingen aus der kongolesischen Grenzstadt Bunagana. "Es sind zumeist Frauen und Kinder, und sie kamen ohne Lebensmittel", sagte Distriktkommissar David Masereka. Zum Teil sind sie inzwischen nach Bunagana zurückgekehrt, aber sie haben einen Teil ihres Besitzes in Uganda gelassen, um Plünderungen zu entgehen.
Bunagana, ein Grenzort der ostkongolesischen Provinz Nordkivu im Länderdreieck Kongo/Uganda/Ruanda, steht unter Kontrolle von Kämpfern des ostkongolesischen Tutsi-Rebellenführers Laurent Nkunda. Die Nkunda-Soldaten sind derzeit im Begriff, sich aus den "gemischten Brigaden" zurückzuziehen, die sie nach einem Friedensabkommen mit Kongos Regierung zu Jahresbeginn gemeinsam mit Regierungseinheiten gebildet hatten. Diese insgesamt fünf Brigaden waren beauftragt worden, gegen ruandische Hutu-Milizen im Ostkongo zu kämpfen, die dort für zahlreiche Plünderungen und Vergewaltigungen verantwortlich sind. Sie bildeten zunächst eine Pufferzone zwischen den Hochburgen der Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) im Landesinneren und den dicht besiedelten Grenzregionen zu Ruanda und Uganda. Dann gingen sie im Distrikt Rutshuru in die Offensive; die Kämpfe trieben über 180.000 Menschen in die Flucht, zumeist kongolesische Hutu.
Nach wachsenden Spannungen zwischen Nkundas Soldaten und den Regierungstruppen innerhalb der "gemischten Brigaden" verkündete Kongos Armeechef, General Gabriel Amisi, am 11. August das Ende des Kampfes gegen die FDLR - angeblich auf Vorschlag der UN-Mission im Kongo (Monuc). Daraufhin zogen sich letzte Woche Einheiten der gemischten "Brigade Bravo" im Distrikt Rutshuru aus mehreren Orten zurück, die sofort von der FDLR besetzt wurden. Ihr Vorstoß sorgte für neue Flüchtlingsströme. Die UN-Mission dementiert, zur Einstellung des Kampfes gegen die FDLR geraten zu haben - aber dennoch werden UN-Soldaten nun von Teilen der Bevölkerung und vor allem von Nkunda als Komplizen der Hutu-Miliz angesehen.
Als am Montag UN-Blauhelmsoldaten nach Bunagana einrücken wollten, wurden sie mit Steinen empfangen und machten kehrt. Am Dienstag kamen sie unter dem Schutz kongolesischer Polizei zurück. Jugendliche, angeblich Nkunda-Soldaten in Zivil, errichteten Straßensperren. Die Blauhelme schossen in die Luft, Bunaganas Einwohner flohen über die Grenze.
Inzwischen soll sich die Lage beruhigt haben, aber die Situation bleibt angespannt, weil die FDLR-Miliz aufgrund der Konfusion auf kongolesischer Seite ihre territoriale Kontrolle ausgeweitet hat. Zugleich festigt Tutsi-Rebellenführer Nkunda seine Kontrolle über die von ihm gehaltenen Gebiete. Das bedeutet eine weitere Schwächung der ohnehin rudimentären staatlichen Strukturen in der Region.
In Reaktion auf Kongos Versagen verlangen Ruanda und Uganda nun regional koordinierte Anstrengungen gegen die FDLR. Ein erstes Treffen in Ruanda ist für das Wochenende geplant. Die FDLR-Miliz, die aus den für Ruandas Völkermord 1994 verantwortlichen Kräften hervorgegangen ist, hat laut einer neuen Studie im Weltbankauftrag rund 7.000 aktive Kämpfer im Ostkongo - etwa so viel wie die Regierungsarmee in der Region. Sie kontrolliert komplett ein Fünftel der beiden Kivu-Provinzen. Ihre Hauptquartiere und Führer sind sowohl der UN-Mission als auch den lokalen Behörden bekannt.
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