Kongo: Neuer Krieg im Osten
Nach Angriffen der Regierungstruppen kündigt Rebellenführer Nkunda eine neue Offensive an.
Im Osten der Demokratischen Republik Kongo weiten sich die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen des Tutsi-Generals Laurent Nkunda immer weiter aus. Nachdem die Regierungsarmee die Tötung von über 70 Rebellen meldete, kündigte Nkundas Rebellenbewegung CNDP (Nationalkomitee zur Verteidigung des Volkes) für den Wochenbeginn eine neue Großoffensive an. "Wir haben lange gewartet, dass die Regierung in Kinshasa mit uns einen Dialog beginnt, aber stattdessen bekämpfen sie uns", sagte CNDP-General Bwambale Kakolele, Nummer Zwei der Rebellen, am Sonntag. "Jetzt werden wir eine Offensive starten."
Offiziell gilt seit 6. September eine Feuerpause zwischen den Kriegsparteien in der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu. Damals hatten Nkundas Kämpfer die Kleinstadt Sake nahe der Provinzhauptstadt Goma eingenommen. Die UN-Mission im Kongo (Monuc) hatte die Rebellen zum Rückzug bewogen und eine Feuerpause ausgehandelt. Aufrufe Nkundas zu politischen Verhandlungen lehnte Kongos Regierung danach aber regelmäßig ab.
Die Regierungsarmee, bisher Nkunda militärisch unterlegen, hat die Zeit der Feuerpause stattdessen benutzt, um massiv Verstärkung ins Kampfgebiet zu fliegen - teils in UN-Hubschraubern transportiert, teils auf offenen Lastwagen, in denen die Soldaten samt Familien Richtung Front geschickt werden. In den vergangen zwei Wochen kam es ständig zu neuen Kämpfen. Letzte Woche bestätigte die Regierungsarmee der Region erstmals offiziell, wieder zu den Waffen gegriffen zu haben.
Das Ergebnis waren offenbar neue Niederlagen: Am Wochenende zogen sich die Naturschützer, die im Virunga-Nationalpark nördlich von Goma die seltenen Berggorillas überwachen, aus dem Park zurück, nachdem die Rebellen dort die Kontrolle übernahmen. Der Krieg nimmt zunehmend einen ethnischen Charakter an. In den Masisi-Bergen westlich von Goma, Hochburg der Nkunda-Rebellen, haben sich lokale Milizen der Hutu- und Bahunde-Völker gebildet, die gegen die als Tutsi verschrienen Rebellen kämpfen wollen und daher alle Tutsi der Region als Feinde ansehen. Ihre Mitglieder, viele davon Kinder, ziehen zuweilen gemeinsam mit Regierungstruppen in den Krieg. Gefangene Milizionäre in Gewahrsam der Nkunda-Rebellen haben ausgesagt, auf zweitägigen Fußmärsche ins Kampfgebiet geschickt worden zu sein mit als Verpflegung nichts als ein paar Süßkartoffeln in der Unterhose. Nkundas Kämpfer sind zwar multiethnisch - so gehört General Kakolele zum Volk der Nande, eigentlich historischer Feind der Tutsi im Ostkongo - aber seine Bewegung CNDP wird allgemein als Tutsi-Interessenvertretung gesehen.
Die Masisi-Berge waren schon in den 90er Jahre Schauplatz blutiger ethnischer Konflikte. Damals wurden fast alle Tutsi der Region vertrieben, größtenteils nach Ruanda. Ihre friedliche Rückführung ist eine der Kernforderungen der Nkunda-Rebellen. Hindernis dafür ist die Präsenz ruandischer Hutu-Milizen, deren Führung am Völkermord an Ruandas Tutsi 1994 beteiligt war, in großen Teilen Nord-Kivus. Nkunda wirft der Regierungsarmee vor, mit diesen Hutu-Milizen zusammenzuarbeiten, die als FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) organisiert sind, und begründet damit seine Revolte gegen die Regierung. Nkundas Kämpfer haben jetzt mehrfach bei Auseinandersetzungen mit der Regierungsarmee ruandische FDLR-Milizionäre gefangengenommen.
Der Vorwurf einer Zusammenarbeit zwischen Kongos Regierung und Völkermordmilizen aus Ruanda wurde letzte Woche vom BBC-Rundfunk unter Berufung auf die UNO wiederholt. UN-Verantwortliche dementierten zwar, aber es existieren BBC-Videoaufnahmen von kongolesischen Milizionären in den Masisi-Bergen, die aussagen, sowohl mit der eigenen Regierungsarmee als auch mit den ruandischen FDLR-Milizen zu "kollaborieren". Neue ethnische Konflikte in den Masisi-Bergen würden den Ostkongo vollends unregierbar machen und eventuell wie bereits in den 90er Jahren eine Militärintervention Ruandas provozieren.
Ende letzter Woche beschoss die FDLR bereits ein Dorf innerhalb Ruandas. Die unmittelbare Gefahr besteht jedoch eher in massiven ethnischen Vertreibungen im Ostkongo sowie unkontrollierbaren lokalen Konflikten. So hat es bereits ethnische Konfrontationen gegeben sowie Zusammenstöße zwischen den Milizen und der Regierungsarmee, ganz unabhängig vom Krieg gegen Nkunda. Nachdem die Kämpfe Anfang September bereits eine Massenflucht provozierten, steigt die Zahl der Kriegsflüchtlinge derzeit immer weiter und hat im Gebiet Mugunga am westlichen Rand von Goma inzwischen 80.000 erreicht.
In ganz Nord-Kivu sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks dieses Jahr 350.000 Menschen vertrieben worden, rund die Hälfte davon seit Ausbruch der neuen Kämpfe Ende August; die Zahl der Kriegsflüchtlinge insgesamt in der Provinz liegt bei rund 700.000, ein Siebtel der Bevölkerung.
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