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Kongo und RuandaVersöhnung zwischen See und Vulkan

Erstmals treffen sich die Präsidenten Joseph Kabila und Paul Kagame zu einem offiziellen Termin. Vorrangig geht es um die Zusammenarbeit in den Bereichen Militär und Energie.

Paul Kagame (l) und Joseph Kabila wollten mit ihrem Treffen eine "neue Ära" ausrufen. Bild: reuters

BERLIN taz | Kongos Präsident Joseph Kabila persönlich öffnete den Schlagbaum, um seinen Amtskollegen Paul Kagame aus Ruanda passieren zu lassen. Das Gipfeltreffen zwischen den beiden Staatschefs im ostkongolesischen Goma zwischen dem Vulkan Nyiragongo und dem Kivu-See direkt an der Grenze zum ruandischen Gisenyi am Donnerstag war voller Symbolik.

Kongos Polizeiorchester spielte Ruandas Nationalhymne; Kabila förmlich und Kagame leger im Trainingsanzug spazierten zusammen auf kongolesisches Gebiet und wieder zurück, um "eine neue Ära" auszurufen. Bei der Truppenparade überragte Kagame Kabila, bei der Pressekonferenz sprach Kabila Englisch und Französisch, Kagame aber nur Englisch.

Kongo und Ruanda waren jahrelang verfeindet. Nach dem Völkermord an Ruandas Tutsi 1994 hatte Kongo, damals noch Zaire, die flüchtigen dafür verantwortlichen Hutu-Milizen aufgenommen, woraufhin Ruanda 1996 im Kongo einmarschierte und half, Rebellen unter Laurent-Désiré Kabila an die Macht zu bringen; damals kämpfte Joseph Kabila unter ruandischem Kommando. 1998 entzweite sich Kabila mit Ruanda, das daraufhin neue Rebellen im Ostkongo unterstützte. Kabila bekämpfte sie mithilfe der ruandischen Hutu-Milizen.

Nach seiner Ermordung 2001 schloss sein Sohn und Nachfolger Joseph Kabila Frieden, Ruandas Armee verließ 2002 das Land. Doch im Ostkongo blieben die Hutu-Milizen unter dem Namen FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) aktiv, weshalb ostkongolesische Tutsi mit Unterstützung aus Ruanda die Rebellengruppe CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes) unter General Laurent Nkunda gründeten und 2008 beinahe Ostkongo eroberten. In höchster Not lud Kongo Anfang 2009 Ruandas Armee erneut ein, um die FDLR zu bekämpfen und nebenbei CNDP-Führer Nkunda zu verhaften.

Kagames Besuch in Goma war jetzt das erste offizielle bilaterale Treffen zwischen den beiden Staatschefs überhaupt und gibt ihrer Waffenbrüderschaft die politische Krönung. In den zwei Tagen davor hatten die wichtigsten Minister beider Regierungen in Gisenyi über Zusammenarbeit gesprochen.

Es geht dabei vor allem um die Ausbeutung der Methangasvorkommen im Kivu-See, die immense Energiereserven bedeuten. Eine ruandische Pilotanlage wenige Kilometer vor der Küste versorgt bereits Gisenyi mit Strom. Im März vereinbarte die US-Firma Contour Global den Bau eines 100-Megawatt-Kraftwerks mit Gas aus dem See - mit 325 Millionen Dollar die größte Einzelinvestition in Ruandas Geschichte. Nun soll Kongos staatliche Energiegesellschaft Snel mitmachen, deren Leiter Eugène Serufuli einst in Goma Provinzgouverneur unter der ruandisch gestützten Rebellion war.

Ein weiteres wichtiges Thema war der Umgang mit der FDLR im Ostkongo. Die ruandisch-kongolesische Militäroperation gegen sie in der Provinz Nord-Kivu um Goma im Januar hat sie nicht entscheidend geschwächt. Jetzt läuft eine rein kongolesische Operation in der Provinz Süd-Kivu, bei der Kongos Armee jüngst die Eroberung wichtiger FDLR-Basen um Mwenga verkündete. Aber die Kämpfe provozieren massive Flüchtlingsbewegungen, und hartnäckig halten sich Mutmaßungen, Kongo könnte Ruanda erneut um Hilfe bitten.

Ungeklärt bleibt das Schicksal des ehemaligen CNDP-Rebellenführers Nkunda, der seit Januar in Ruanda unter Hausarrest steht. Ruandas Präsident Kagame wich Fragen nach Nkundas Auslieferung mit dem Argument aus, Nkunda sei kein Problem mehr. Eine Auslieferung, so Beobachter, könnte die CNDP reaktivieren und auch in Ruanda für Unruhe sorgen, wo über 50.000 kongolesische Tutsi als Flüchtlinge leben.

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