Konflikte um die Berlinale: Politisch jenseits der Leinwand

Ob Proteste gegen die AfD, Arbeitsbedingungen oder den Nahostkonflikt: Die 74. Filmfestspiele sind Austragungsort gesellschaftlicher Konflikte

Die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten der Berlinale Kinos sind oft nicht die besten

BERLIN taz | Die 74. Internationalen Filmfestspiele werden in diesem Jahr politisch wie selten. Das liegt nicht nur an dem Programm, in dem die Fil­me­ma­che­r:in­nen weltpolitische Themen und gesellschaftliche Missstände verarbeiten. Auch das Festival selbst wird zum Austragungsort politischer Konflikte: Nach dem Eklat um die Einladung von AfD-Politiker:innen nutzen Gewerkschaften den roten Teppich, um auf miese Arbeitsbedingungen in der Filmbranche hinzuweisen. Und auch der Krieg in Gaza geht nicht unbemerkt an der Berlinale vorbei.

Arbeitskampf hinter den Kulissen

Parallel zur Berlinale-Eröffnung am Donnerstag ruft Verdi zum „Union Day“ auf. Mit einer Protestaktion will die Dienstleistungsgewerkschaft, die sowohl Filmschaffende als auch Mit­ar­bei­te­r:in­nen in den Kinos vertritt, ein Zeichen für bessere Arbeitsbedingungen in der Branche setzen. Am Donnerstagnachmittag wollen Filmschaffende auf einer Kundgebung am Potsdamer Platz ein Filmset nachbauen, in dem sie ihren eigenen Protest filmen.

„Wir wollen darauf aufmerksam machen, wie viele Leute hinter der Kamera bei einer Filmproduktion arbeiten“, erklärt Lisa Klinkenberg. Die Arbeitsbedingungen in der Branche bezeichnet die Gewerkschaftssekretärin als „aus der Zeit gefallen“: 60-Stunden-Wochen seien bei Filmproduktionen keine Seltenheit. „Wir wollen die 40-Stunden-Woche, und das bei vollem Lohnausgleich.“ Nur so sei eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erreichen.

An diesem Donnerstag startet die Berlinale, die mit dem Film „Small Things Like These“ eröffnet wird. Hauptspielstätte für Premieren ist der Berlinale-Palast am Potsdamer Platz. Tickets sind seit Montag online erhältlich und kosten zwischen 15 und 18 Euro. Erhältlich sind sie immer drei Tage im Voraus. Wie eine Sprecherin am Dienstag mitteilte, konnten am Montag mit 77.757 Tickets etwas mehr als im vergangenen Jahr verkauft werden. Für den Goldenen Bären gehen 20 Filme ins Rennen – darunter zwei Projekte von den deutschen Regisseuren Andreas Dresen und Matthias Glasner. Laut Programm werden der Ukrainekrieg und die Lage in Nahost und im Iran eine große Rolle spielen. (taz)

Mit dem „Union Day“ will Verdi Druck machen in den aktuellen Tarifverhandlungen mit dem Arbeitgeberverband Produzentenallianz. Aber es geht nicht nur um den Tarifabschluss, einige Forderungen sind auch an die Politik gerichtet. „Dass tariflich festgelegte Lohn- und Arbeitszeiten eingehalten werden, muss im Filmförderungsgesetz festgeschrieben werden“, fordert Klinkenberg. Förderung bekäme dann nur noch, wer nach Tarif bezahlt.

Auch die Beschäftigten der CineMaxx und Cinestar Kinos beteiligen sich an den Protestaktionen. Auch sie befinden sich in Tarifverhandlungen. Gerade zu Berlinale-Zeiten sind sie hohem Arbeitsdruck ausgesetzt, bekommen aber häufig nur Mindestlohn. Verdi fordert daher ein Einstiegsgehalt von 14 Euro pro Stunde. „Die Berlinale strahlt Glanz und Glamour aus, das soll auch so sein“, sagt Verhandlungsführerin Martha Richards. „Uns ist wichtig, auch ein Schlaglicht auf die Leute zu werfen, die als Arbeitskräfte die Branche mittragen.“

Kein roter Teppich für die AfD

Die Ankündigung der Berlinale-Leitung am vergangenen Donnerstag, die AfD für die Eröffnungsgala wieder auszuladen, hat die Wogen im Berlinale-Kosmos wieder ein wenig geglättet. Auf sich beruhen lassen wollen einige Filmschaffende die Sache dennoch nicht und kündigen für die Eröffnung eine Protestaktion gegen die AfD auf dem roten Teppich an.

„Die Filme, die auf der Berlinale gezeigt werden, würde es mit der AfD nicht geben“, sagt Schauspielerin Pegah Ferydoni, die im Netzwerk Berlinale gegen Rechts die Aktion mitorganisiert. Man wolle verhindern, dass die AfD im nächsten Jahr wieder eingeladen wird. Auch wolle man das Momentum der Anti-AfD-Proteste auf die Berlinale weitertragen.

Die Protestaktion wird wahrscheinlich in Form einer Lichterkette stattfinden und ist mit der Berlinale-Leitung abgesprochen. Ebenso ist eine weitere Kundgebung zum Jahrestags des rechtsextremen Attentats in Hanau am 19. Februar geplant. „Es ist auch die Agenda der AfD, die dazu geführt hat, dass die Menschen in Hanau ermordet wurden“, sagt Ferydoni.

Die Einladung von fünf AfD-Abgeordneten sorgte nicht nur in der Kulturszene für einen Eklat. Bei öffentlich finanzierten Veranstaltungen wird in der Regel ein Kontingent an Parlamentsabgeordneten mit eingeladen. Der Senat schickte eine entsprechende Liste an die Organisator:innen, darunter auch einige Abgeordnete der AfD. Obwohl die Festivalleitung dazu nicht verpflichtet ist, lud sie alle auf der Liste ein. Wie bei der Berlinale in Zukunft mit der rechtsextremen Partei umgegangen wird, wird sich zeigen.

Taxis gegen Uber

Dass Berlins traditionsreiches Filmfestival ausgerechnet durch ihren ungeliebten Konkurrenten aus dem Silicon Valley Uber gesponsert wird, ist vielen Ta­xi­fah­re­r:in­nen ein Dorn im Auge. Bereits im vergangenen Jahr protestierten sie vor dem roten Teppich gegen Lohndumping und systematische Verstöße gegen das Arbeitsrecht bei dem US-Konzern. Dieses Jahr wählen die Ta­xi­fah­re­r:in­nen einen kreativeren Ansatz und organisieren kurzerhand ihr eigenes Filmfestival. In einem Großraumtaxi auf dem Potsdamer Platz werden die ganze Woche Filme gezeigt, darunter Klassiker wie „Taxi Driver“, „Taxi, Taxi“ oder „Das Fünfte Element“.

Krieg in Gaza

Auch der Krieg zwischen Israel und der Hamas könnte stärker in den Mittelpunkt des Filmfestivals rücken. Am Montag forderte ein Zusammenschluss aus Berlinale-Mitarbeiter:innen einen sofortigen Waffenstillstand und die Freilassung aller Geiseln. In dem Statement beklagen die Un­ter­zeich­ne­r:in­nen die „Trägheit der Kulturbranche“ in Deutschland und fordern Institutionen wie die Berlinale zu einer klareren Haltung auf. Auch solle die Berlinale ein Raum für eine offene Auseinandersetzung zu dem Konflikt sein.

Gelegenheit bietet die Berlinale auch in ihrem Programm. So dokumentiert der Film „No other Land“, der am Samstag im Kino International Premiere feiert, den gemeinsamen Widerstand eines palästinensischen Aktivisten und israelischen Journalisten im Westjordanland.

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