Konflikt um den Hambacher Forst: Berliner Protest gegen die Räumung
Aktivisten besetzen die NRW-Landesvertretung. Ihre Forderung: Stopp der Räumung im Hambacher Wald. Dort rückt die Polizei vor.
Wenige Augenblicke später sind die AktivistInnen neu eingekleidet und setzen sich vor den Haupteingang. Niemand soll mehr vorbei. Der Pförtner ist überrumpelt, ruft seine Vorgesetzten an. „Wir sind gleich wieder weg und machen nichts kaputt – anders als die Landesregierung“, besänftigt eine der Besetzerinnen. „Ich hab doch auch meine Anweisungen“, entgegnet er freundlich. Sogleich erscheinen Männer in Anzügen. „Was sind denn das für welche?“ fragt einer. Die Antwort kommt prompt, als die Gruppe Parolen zu skandieren beginnt: „Niemand soll den Hambi roden, lasst die Kohle in dem Boden!“
Die Polizei wird gerufen, braucht aber überraschend lange. Es scheint, als ob auch der goldene Skulptur-Hund von Thomas Schütte (Hund II, 2004) in der Vorhalle alles ganz genau betrachtet. Als schließlich drei Beamte erscheinen, ertönt in eingeübtem Chor die Forderung. Tenor: Die sofortige Einstellung der Räumungsarbeiten im Hambacher Forst. Ultimatum: 20 Minuten.
Es ist allen klar, wie unwahrscheinlich es ist, dass das funktioniert. Zumal die Landesvertretung gar keine politische Institution im Sinne eines Ministeriums ist, erklärt eine Mitarbeiterin.
Jetzt wird auch hier geräumt
Selbst wenn einzelne sogar mit dem Protest sympathisieren: Die Männer in Hemden erklären der Polizei, dass die AktivistInnen nicht kooperieren wollen und das Hausrecht verletzen. Es wird Anzeige erstattet. Immer mehr Polizei kommt, jetzt wird auch hier geräumt. Die Fronten sind verhärtet, eine herbeigeeilte Linken-Politikerin versucht zu vermitteln. Nach und nach räumt die Polizei die Blockade – manche gehen freiwillig, andere wehren sich und werden weggetragen. Schließlich ist der Eingang wieder frei, nur ein paar Aufkleber zeugen von der Aktion. Jetzt ist es etwa halb 13 Uhr.
Das ganze ist ohnehin nur symbolisch – es geht um Aufmerksamkeit. Etwa 500 Kilometer westlich der Hauptstadt soll ein höchst symbolträchtiger Wald dem Kohleabbau weichen. Es geht nicht nur um den Hambacher Forst und um Kohle, sondern auch um das Weltklimaproblem. Ein seit Jahren brodelnder Konflikt spitzt sich gerade zu.
Am Donnerstagmorgen hatte die Polizei im Hambacher Forst begonnen, Barrikaden und Baumhäuser der Umweltaktivisten zu räumen. Der Einsatz im Braunkohlerevier gilt als einer der größten in der jüngeren Geschichte Nordrhein-Westfalens. Die Arbeiten dauerten zwar aufgrund der ausgeklügelten Protestkonstruktionen im Wald recht lange.
Die Nacht verlief ruhig. Aber bereits am Freitagmorgen wurde eine weitere Schneise in den Wald geschlagen – die Räumung geht weiter. Nun sollen noch mehr der insgesamt etwa 50 Baumhäuser weichen. Diesen war aufgrund eines neuen Baurechtserlasses fehlender Brandschutz attestiert worden, der die sofortige Räumung juristisch stützt. Erste Eilanträge dagegen wurden abgelehnt, weitere gestellt.
Zehn Aktivisten in Gewahrsam genommen
Im Forst versuchte die Polizei, in die Siedlung „Oaktown“ einzudringen, eines der zentralen Protestcamps. Die Bewohner von „Oaktwon“ warfen der Polizei vor, dabei etwa 20 Bäume gefällt zu haben, darunter auch einige sehr alte. Die Polizei bestätigte einzelne Baumfällungen. Ihren Angaben zufolge wurden zehn Aktivisten wegen Widerstand und Landfriedensbruch in Gewahrsam genommen. 18 andere wurden weggetragen.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) kritisierte die Waldbesetzer unterdessen scharf und sah im Wald „kriminelles Personal“ am Werk. „Jetzt sind da Menschen, die haben auf fremdem Gelände schwarz gebaut, beachten keine Bauvorschrift, keine Brandvorschrift, wehren sich auch noch, sind kriminell, greifen noch Polizisten an, also werden straffällig, und da soll ich nicht eingreifen?“, sagte der Politiker im Deutschlandfunk. Die Behörden hätten „gemerkt, dass immer mehr kriminelles Personal auch vom Ausland übrigens in diesen Wald einsickert“, sagte Reul.
Am Freitag bekräftigte RWE sein Vorhaben. „Der Tagebau steht quasi direkt vor dem Wald und dementsprechend müssen wir auch roden“, sagte RWE-Vorstandsmitglied Lars Kulik dem Hörfunksender WDR 2. Es gebe keinen Zeitpuffer mehr, da bereits im vergangenen Jahr nicht gerodet worden sei. Die Abholzung sei unvermeidbar, um die Stromproduktion zu sichern.
Die spontane Besetzung der NRW-Landesvertretung ist bei weitem nicht die einzige bundesweite Protest- und Solidaritätsaktion dieser Tage. Außerdem dürften sich gerade einige Menschen auf dem Weg gen Wald befinden. Dort geht die handfeste Auseinandersetzung weiter – die Bewohner wehren sich unter anderem mit dem Werfen von Fäkalien vor dem Zugriff der Polizei.
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