Konflikt um Liebig 14: "Meine Mittel sind ausgeschöpft"
Friedrichshains Bürgermeister Franz Schulz hat kaum noch Hoffnung, dass das Hausprojekt gerettet werden kann. Die Gewaltdrohung gegen sich nimmt er gelassen.
taz: Herr Schulz, in einem Bekennerschreiben nach einem Brandanschlag auf Ihr Rathaus wird Ihnen offen mit Gewalt gedroht - wegen der anstehenden Räumung der Liebig 14. Wie ernst nehmen Sie den Aufruf?
Franz Schulz: Natürlich kann man nach so etwas nicht einfach sorglos weitermachen. Aber man sollte das auch nicht überbewerten. Ich werde versuchen, meinen Arbeitsalltag und mein Leben so weiterzuführen wie bisher. Ich denke, das wird auch gut möglich sein.
Wird dies jetzt mit Polizeischutz geschehen?
62, ist seit dem Jahr 2006 grüner Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg.
Es gab dazu Gespräche mit dem LKA, aber das werde ich nicht in der Öffentlichkeit ausbreiten. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es erst gar nicht zu einem Anschlag kommt.
2002 gab es schon einmal einen Brandanschlag auf das Auto Ihrer Lebensgefährtin. Sind Sie jetzt besonders vorsichtig?
Eigentlich nicht, viel kann man gegen so etwas ohnehin nicht machen. Und bei dem Anschlag 2002 ist die Zuordnung zum autonomen Milieu bis heute nicht beweisbar.
Haben sich die Bewohner der Liebig 14 schon bei Ihnen gemeldet?
Ich habe heute einen Anruf von dort erhalten, bei dem mir versichert wurde, dass die Bewohner nicht hinter dem Inhalt des Bekennerschreibens stehen. Der Anschlag und die Drohung dürften aus einer anderen Ecke kommen.
Aus welcher denn?
Wahrscheinlich von einer Gruppe aus dem weiteren Unterstützerkreis, die gar nicht mitbekommen hat, was zuvor an den Runden Tischen passiert ist. Monatelang habe ich mich für die Liebig 14 eingesetzt, habe auf allen Ebenen genervt. Und das zuvor auch bei anderen Hausprojekten. Da ist man schon mehr als irritiert, dass plötzlich Freund und Feind verwechselt werden.
Wird die linke Szene in Berlin allgemein wieder militanter?
Das würde ich nicht sagen. Nehmen wir den Indikator Autobrände: Da sind die Zahlen stark rückläufig.
Innensenator Ehrhart Körting spricht von linker Gewalt, die sich nun gezielter gegen Institutionen und Entscheidungsträger richtet.
Das kann ich nicht beurteilen. Für mich ist die jetzige Drohung jedenfalls eine Premiere. Und dass sich die Szene gegen die Räumung der Liebig wehrt, war doch erwartbar. Das Haus steht als Chiffre für den Kampf um Freiräume.
Was heißt das für den Tag der Räumung?
Es dürfte zu erheblichen Auseinandersetzungen kommen.
Können Sie als Bürgermeister noch etwas für die Liebig 14 tun?
Ich fürchte nein, meine Mittel habe ich alle ausgeschöpft. Jetzt könnte nur noch ein kleines Wunder helfen, indem doch noch ein leeres Wohngebäude zum Kauf oder Anmieten auftaucht. Wahrscheinlich ist das aber nicht.
Bedauern Sie dieses Ende?
Schon. Es ist ein Stück Friedrichshainer Vielfalt, das hier verloren geht, und auch ein Stück Geschichte.
Sie waren immer dafür offen, sich mit der linken Szene an einen Tisch zu setzen. Ist diese Solidarität jetzt passé?
Überhaupt nicht, da sehe ich auch gar keinen Zusammenhang. Ich setze mich für alternative Hausprojekte ein, weil ich überzeugt bin, dass es auch dafür Räume in Berlin und Friedrichshain-Kreuzberg geben muss. Das ist nach wie vor eine richtige Idee, für die ich mich einsetze.
Ihr Parteikollege Christian Ströbele erklärte, er würde sofort auf eine Soli-Demo für die Liebig 14 gehen. Sie auch noch?
Das ist gut vorstellbar.
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