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Konflikt um HaasenburgMinisterin will Heime nicht schließen

Den Vorwürfen um Misshandlung von Jugendlichen in Haasenburg-Heimen geht eine Untersuchungskommission nach. Mit einem Ergebnis ist erst zum Jahresende zu rechnen.

Hofft, dass sich der Haasenburg-Skandal bis Ende des Jahres erledigt hat: Martina Münch, Bildungsministerin in Brandenburg. Bild: dpa

POTSDAM dpa/taz | Brandenburgs Bildungsministerin Martina Münch (SPD) lehnt eine sofortige Schließung der Haasenburg-Heime nach den Misshandlungsvorwürfen ab. Die Frage sei, was dann mit den dort untergebrachten jungen Menschen passieren könne, sagte die Ministerin dem Radiosender NDR Info.

Eine von Münch eingesetzte Kommission untersucht, wie das Konzept der Heime zu bewerten ist. Ende des Jahres werde mit Ergebnissen gerechnet, so die Ministerin. Sie hoffe, dass an den neuen Vorwürfen nichts mehr dran sei, sagte Münch. Kritik sei überwiegend in den vergangenen Jahren – noch vor 2010 – erhoben worden. Damals seien Auflagen und Beschäftigungsverbote erteilt worden. Die gegenwärtige Suspendierung von Mitarbeitern stünde in Zusammenhang mit neuen Anschuldigungen von drei Jugendlichen.

Die drei Jungen waren vergangene Woche nach Angaben ihres Anwalts aus Furcht vor Demütigungen und Misshandlungen ausgerissen. Zwei sind wieder zurückgekehrt, einer ist noch auf der Flucht. Der taz berichtete er, dass er von einem Erzieher in eine Mülltonne gesteckt worden sei. „Ich bin gefühlskälter geworden“, sagte der Junge zu seiner Zeit in dem Heim. „Ich will auf keinen Fall zurück.“

Nach Angaben von Münch handelt es sich bei den Insassen um junge Menschen, bei deren Leben sehr vieles schief gelaufen ist. Sie hätten zum Teil eine kriminelle Karriere hinter sich, viele hätten aber auch selbst Gewalt erfahren.

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11 Kommentare

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  • A
    Arne

    @Susanne:

    Schau' Dir mal den unglaublichen Tagessatz an, den ein geschlossenes Heim verschlingt. Davon kann man zwei Mitarbeiter in einer individualpädagogischen Maßnahme bezahlen oder zumindest 1,5 Stellen finanzieren.

    Dann ist geschlossene Unterbringung nicht mehr notwendig, wenn das zwei erfahrene Leute machen, die sich in der Materie etwas auskennen. (Keine Fachkräfte, die keinerlei Erfahrung mit so einem Klientel haben, sondern eben diesbezüglich erfahrene, geeignete Menschen mit pädagogischer Grundausbildung und Erfahrung.) Die können die Jugendlichen dort abholen, wo sie sind von ihrem Entwicklungsstand her und müssen die nicht erstmal zu willenlosen Wesen schikanieren.

    Ich halte die Doktrin der geschlossenen Unterbringung eher für eine ideologisch motivierte. Finanziell ist es möglich, die Angebote müssen nur da sein bzw. gefördert werden von einem Staat, der keine geschlossene Unterbringung mehr wünscht.

  • I
    irmi

    14.07.2013 15:12 UHR

    von Franjopl:

    Blöde Frage. Im Artikel steht: "viele hätten aber auch selbst Gewalt erfahren"

    @

    Wenn Erzieher selbst Gewalt erfahren haben, sollten diese am besten wissen wie sich Gewalt anfühlt.

     

    Als Erzieher darf er einfach seine Erlebnisse nicht auf dem Rücken der ihm anvertrauten Jugendlichen auslassen und sie brechen wie er es selbst erlebt hat. Tut er das, ist er fehl am Platz.

     

    Bestehen diese Häuser nur aus solchen Mitarbeitern, müssen die geschlossen werden.

     

    Solche Anstalten konnten entstehen, weil unser Staat Geld sparen wollte und alles privatisiert.

     

    Solche Anstalten, wie auch einige Entziehungsanstalten auch, werden nicht kontrolliert, es wird nur viel gezahlt, das natürlich mit Steuergeldern.

  • S
    Susanne

    Mich wundert das alles überhaupt nicht.

    Ich kenne die Haasenburg von innen und kann zumindest aus zweiter Hand - ich habe als Verfahrensbeistand diverse Jugendliche dort besucht - die allermeisten Vorwürfe bestätigen, aus erster Hand weiß ich, dass die erste Maxime der Einrichtung das Brechen des Willens der Kids ist. Da geht wirklich nichts dran vorbei. In der sog. "roten Phase" gibt es dort eine Behandlung, die schlimmer ist als im Gefängnis. Es ist beschämend, dass hier nicht zügig gehandelt wird.

    Leider wird aber, da bin ich mir sicher, nichts geschehen, außer, dass als Bauernopfer einige Mitarbeiter über die Klinge werden springen müssen. Der Chef dort wird ungeschoren davonkommen und weiter Steuergelder absahnen.

    Leider bin ich inzwischen auch zu der Überzeugung gelangt, dass - eben weil unser Staat sich nicht um ganz junge und junge Menschen angemessen zu kümmern in der Verantwortung sieht, wie es scheint - geschlossen arbeitende Einrichtungen nicht vermeidbar sind. Insofern wäre eine Schließung der Haasenburg nicht wirklich die Antwort. Vielmehr sollte dem Träger seine Betriebserlaubnis entzogen und die Einrichtung unter andere Leitung gestellt werden, mit professionell arbeitendem Team, das Transparenz vorhält und die Menschenrechte achtet.

    Es zeigt sich einfach mal wieder, dass die schwächsten Glieder in der Gesellschaft einfach keine Lobby haben - die Mehrheit der in der Haasenburg befindlichen Jugendlichen hat einen Amtsvormund, der hoffnungslos überfordert ist, wegen der Anzahl seiner Mündel wie auch im Umgang mit Bavar & Co. Und die, die sorgeberechtigte Eltern haben, wurden von eben denen dort reingeschickt... muss man dazu noch was sagen?

    Vor einigen Jahren habe ich die Haasenburg im Namen einer Jugendlichen wegen Freiheitsberaubung angezeigt, sie war dort 3 1/2 Monate lang ohne richterliche Genehmigung geschlossen untergebracht. Das Verfahren wurde nach etwa einem jahr eingestellt...

    Ich war sehr froh, dass da richtig Wallung reinkam - jetzt bin ich mal wieder sehr desillusioniert.

  • SG
    Schmidt Georg

    ein grosser Öltanker braucht ungefähr 5km damit er den richtigen Kurs steuert , auf dem Tanker arbeiten alle zusammen-Kapitän-Steuermann-Besatzung-ein Ministerium ist ein ähnlcih schwerfääliges Teil-der KaptitänIn hat zwar dei Mütze auf, aber steuern tuts das Schiff die Besatzung, die ja den Laden kennt, währen der MinisterIn meist nur auf Besuch ist, der Kapitän oder Minister ( siehe Verteidigungsminister ) ist mehr oder weniger, manchmal, unterschriftsberechtig und darf vor die Kamera, empfehlenswert ist, wenn man sich mal den Aufbau eines Ministriums anschaut-vom MinisterIn bis runter zum letzten Sachbearbeiter, also bis nun eine Anweisung der Ministerin unten bei Sachbearbeiter ankommt-passiert sie viele, viele Büros und ist am Ende ein von Stempeln bedecktes Blatt Papier, ob nun die Ministeranweisung in der gegebenen Form unten bei Sachbearbeiter ankommt--?????

  • U
    umerziehungslager

    Die linke...jaja, die jahrzente des System haben diese Politiker anscheinend für solche Dinge wie Umerziehung durch Folter desensibilisiert. Da weiß man wo die Reise hingeht:)

  • R
    reorient

    Wie soll eine Demokratie funktionieren, in der offenbar nicht einmal Minister das Grundgesetz wirklich verstanden und seine Prinzipien verinnerlicht haben. Ich hoffe, es interessiert sich auch mal jemand dafuer, warum die zustaendigen Behoerden so stark mauern und partout nicht gegen die Betreiberfirma vorgehen wollen.

  • A
    Arne

    Natürlich kann man die Kinder und Jugendlichen nicht einfach auf die Straße setzen, aber es ist nicht Aufgabe der Ministerin oder des Landesjugendamtes Ersatz zu suchen, sondern der einzelnen Jugendämter, die Kinder dorthin gebracht haben, obwohl sie aus dem Konzept der Einrichtung hätten ersehen können, dass es für die meisten wohl ungeeignet war.

    Wenn in Brandenburg oder in der BRD nicht ausreichend Angebote für schwer verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche existieren, dann sollte die Ministerin mal jetzt spätestens anfangen darüber nachzudenken, wodran das liegt. Meint sie, Ende des Jahres sei das anders, wenn sie keine Lust hat, irgendetwas zu tun?

     

    Wenn die Ministerien damit in ihrer Regierung durchkommt, dann ist das auch ein endgültiger Hinweis für mich, bei der Bundestagswahl nicht mehr Die Linke zu wählen, wenn sie sich so dermaßen unfähig in Regierungsverantwortung zeigt und keine Antworten bringen kann.

  • N
    noevil

    Das ist unglaublich!

     

    Eine Ministerin lässt durch eine Kommission Konzepte prüfen. Da kommt einem mehr als die Galle hoch.

     

    Für die jungen Leute ist vermutlich alles besser, als sie bis zum Jahresende in einer (teuren!) Wegschließhölle zu belassen in der Hoffnung, die Öffentlichkeit werde bis dahin eine neue "Sau durch das Dorf jagen".

     

    Sie darf sich darauf verlassen, dass die ÖLffentlichkeit dies NICHT vergessen wird - ganz besonders bei den nächsten Wahlen. Wie kann sich die SPD noch wundern, wenn sie in der Wählergunst in immer noch tiefere Tiefen sinkt.

     

    UNGLAUBLICH - UNFASSBAR!

  • SG
    Schmidt Georg

    ehrlich gesagt, halte ich von dem Urteilsvermögen von einer/m PolitikerIn, die gerade mal ein paar Monate im Amt ist, nicht sehr viel, obwohl ich der Frau einiges gut schreibe-wenn man ihren Lebenslauf liest ( in der falschen Partei ist ) könnte man ein bischen mehr erwarten !

  • TR
    Tim Reren

    Sollen die 2 Jugendlichen jetzt noch Monate wegen ihrer Vorwürfe dort drangsaliert werden?

     

    Mir kann keiner erzählen, das die Kollegen der suspendierten Mitarbeiter das nicht in irgend einer Form die Jugendlichen spüren lassen.

     

    Wie ist die aktuelle Situation der Jugendlichen?

    Ist das eingetreten was der Junge im Interview befürchtet hat?

     

    Jeder inhaftierte Straftäter hat mehr Rechte als die dort lebenden Kinder und Jugendlichen, das fängt schon beim Recht auf täglich 1 Stunde im freien an.

     

    Einem Inhaftierten Straftäter darf nicht vorgeschrieben werden, wie,ob,und wann er sich in seiner Zelle zu bewegen hat!

  • F
    Franjopl

    Blöde Frage. Im Artikel steht: "viele hätten aber auch selbst Gewalt erfahren" - Aber darf man sie deshalb dann mit physischer und psychischer Gewalt "umerziehen" so wie es offensichtlich in den Haasenburgheimen passiert? Man sollte kaum glauben, dass wir uns im 21. Jahrhundert befinden sollen.