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Konflikt um Berliner MahnmalKein Schlussstrich

Das „Trostfrauen“-Mahnmal in Berlin sollte auf Druck Japans verschwinden. Doch sexualisierte Kriegsgewalt darf nicht unter den Teppich gekehrt werden.

Jemand hat ihr einen Schal umgelegt: Friedensstatue in Berlin Moabit Foto: Florian Boillot

Japans Regierung schießt mit ihrem Drängen zum Abbau einer Statue gerade ein diplomatisches Eigentor. Sie erinnert an die mehr als 200.0000 „Trostfrauen“, also Zwangsprostituierte der japanischen Armee im Zweiten Weltkrieg und ist Berlins erstes Mahnmal gegen sexualisierte Kriegsgewalt. Denn nach Protesten haben sich inzwischen Lokalpolitiker und Fraktionen der Grünen, der SPD und der Linken, also der drei im Bezirk Mitte dominierenden Parteien, für die Statue ausgesprochen. Inzwischen liegt der Fall bei Gericht.

Auf Druck Tokios, der über die japanische Botschaft, das Auswärtige Amt und die Senatskanzlei auf das Bezirksamt und seinen grünen Bürgermeister ausgeübt wurde, hatte der Bezirk Mitte die Genehmigung zum gerade erst aufgestellten Mahnmal zurückgezogen.

Begründet wurde dies mit dem Interesse an guten Beziehungen zu Japan wie mit der Sorge, die Statue könnte den Frieden in dem multikulturellen Bezirk gefährden. Auch wurde schäbig der Eindruck erweckt, das Amt sei von den InitiatorInnen der Statue getäuscht worden, weil sie zu sehr auf Japans Kriegsverbrechen eingehe.

Doch getäuscht hat sich nicht nur Japans Regierung, die glaubte, in Berlin ein Mahnmal und das Gedenken zensieren zu können. Auch das Auswärtige Amt, der Berliner Senat und das Bezirksamt haben nicht mit der gesellschaftspolitischen Dynamik gerechnet, die das Thema längst hat.

Die mutigen Trostfrauen sind der Anfang einer internationalen Diskussion

Die Ironie ist, dass sich ausgerechnet das Auswärtige Amt damit brüstete, als Initiator der im April 2019 mit der vom UN-Sicherheitsrat verabschiedeten Resolution 2467 ein Zeichen zur Beendigung sexualisierter Kriegsgewalt gesetzt zu haben. Damals erklärte Heiko Maas, mit der Resolution würden die „Verantwortlichen für sexuelle Gewalt zur Verantwortung“ gezogen.

„Wir stellen mit der Resolution die Opfer in den Mittelpunkt und rufen alle Staaten auf, diesen ein Leben in Würde zu ermöglichen“, so Maas. Doch nun folgt sein Ministerium lieber Tokios unaufrichtiger Politik. Japans Regierung hat das begangene Unrecht zwar anerkannt, aber nur unter der Bedingung eines Schlussstriches, also das darüber fortan geschwiegen wird. Aus der deutschen Geschichte wissen wir, dass es keinen Schlussstich geben kann, sondern Aufarbeitung ein andauernder Prozess ist.

Macht durch Vernetzung

Im Streit gegen die eine sitzende koreanische Frau zeigende Statue fällt stets das Argument, das Mahnmal sei einer Parteinahme für Korea in einem bilateralen Konflikt mit Japan. Doch das greift zu kurz.

Die Statue erinnert an den Mut der mehrheitlich koreanischen Frauen, die 1991 erstmals mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit gingen. Deshalb und auch wegen der massiven sexualisierten Kriegsgewalt in Bosnien, Ruanda, Afghanistan, Kongo, Irak und Syrien ist das Thema in der Öffentlichkeit präsent. Das Gedenken unterbinden zu wollen, ist damit der Versuch, das Thema sexualisierte Kriegsgewalt wieder unter den Teppich kehren zu wollen.

Japans konservative Regierung hofiert mit ihrer Politik geschichtsrevisionistische Rechtsradikale und Nationalisten und spannt dafür jetzt deutsche Ämter ein. Sie alle hätten längst ein Mahnmal aufstellen können. Jetzt können sie dem Korea Verband e. V. dankbar sein.

In dem deutsch-koreanischen Verein sind viele ältere inzwischen eingebürgerte Frauen koreanischen Ursprungs aktiv. Sie blicken beim Gedenken an die mutigen „Trostfrauen“ nicht nur zurück und etwa einseitig auf Japan, sondern haben sich mit deutschen, japanischen und internationalen Frauen-, Menschenrechts- und Migrantenorganisationen vernetzt. Genau das macht jetzt ihren Erfolg aus.

Dabei haben sie nicht nur immer wieder die offizielle südkoreanische Politik kritisiert, sondern bereichern Berlins Zivilgesellschaft um ihre eigenen Erfahrungen und Perspektiven. Sie auf einen bilateralen Konflikt zwischen Korea und Japan zu reduzieren, heißt, sie und das Thema sexuelle Kriegsgewalt nicht für voll zu nehmen.

Denn dieses Thema muss auch in Südkorea immer wieder gegen konservative Kräfte auf die Agenda gesetzt werden. Auch Südkoreaner haben damals mit Japan kollaboriert und südkoreanische Soldaten waren im Vietnamkrieg für ihre Brutalität gefürchtet. Die mutigen „Trostfrauen“ sind der Anfang einer internationalen Diskussion, das Ende sind sie sicher nicht.

Zusatz vom 15. Oktober

In Reaktion auf den im zweiten Absatz dieses Artikels erwähnten Drucks auf den Bezirk erklärt das Auswärtige Amt: „Das Auswärtige Amt hat den zuständigen Berliner Behörden zu keinem Zeitpunkt Empfehlungen gemacht, wie man dort mit der Statue umgehen soll.“

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes hatte schriftliche wie telefonische Anfragen der taz zum Umgang mit der von Japan monierten Statue inhaltlich nicht beantworten wollen, nachdem Japans Außenminister laut einem Tokioter Zeitungsbericht mit seinem deutschen Amtskollegen darüber telefoniert hatte.

Sowohl die Senatskanzlei wie das Bezirksamt Mitte verweisen in in- und externen Stellungnahmen, die der taz vorliegen, auf die Wichtigkeit der diplomatischen Beziehungen zu Japan. Dabei betont zum Beispiel die Senatskanzlei, dass sie „die Einschätzung des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland“ teilt.

Sven Hansen

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