Konflikt um AKW: Aufatmen in Saporischschja

Russische Truppen könnten das Atomkraftwerk bald verlassen. Denn eine Einigung ist in Sicht.

Zwei Atommeiler in der Ferne

AKW Saporischschja: Lange hat die Welt gezittert, dass es hier eskalieren könnte Foto: Leo Correa/AP/dpa

KYJIW taz | Möglicherweise werden die russischen Truppen noch in diesem Jahr das Atomkraftwerk Saporischschja verlassen. So jedenfalls interpretieren ukrainische und russische Medien ein Interview mit dem Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Mariano Grossi, für die italienische Zeitung Repubblica. Grossi spricht da von einer Lösung für das AKW, die man wohl bis Jahresende erreichen werde.

Die beiden Seiten hätten sich schon auf einige grundlegende Prinzipien einer Vereinbarung geeinigt, so Grossi. „Der Abzug der Waffen aus dem Kraftwerk ist das, was die Ukrainer verständlicherweise fordern. Und es wäre immer noch Teil der Allgemeinen Vereinbarung“, so Grossi in dem Interview.

Der IAEA-Chef hatte auch lobend hervorgehoben, dass sich Ukraine und Russland geeinigt hätten, weder auf das AKW zu schießen noch von diesem zu schießen. Gleichwohl war Grossi der Frage aus dem Weg gegangen, wer denn nun die Verantwortung für die Schüsse auf das AKW trage. Es sei nicht seine Aufgabe, so Grossi, Verantwortung zuzuweisen. Seine Aufgabe sei es, einen Atomunfall zu verhindern.

Im März hatten russische Truppen das AKW angegriffen und besetzt. Am 3. Oktober wurde in Moskau die Firma „Organisation zum Betrieb des AKWs Saporischschja“ registriert, die jetzt – aus russischer Sicht – Betreiberin des AKWs ist. Und der russische Atomkonzern Rosatom hatte einen Großteil der Mitarbeiter des AKWs gezwungen, ihren Arbeitsvertrag mit der ukrainischen Energoatom zu kündigen und mit der Moskauer Firma zusammenzuarbeiten, berichtet die ukrainische Atomexpertin Olga Koscharna der taz.

Russischer Export von Ammoniak ist im Gespräch

Vieles spricht dafür, dass die Russen im AKW Saporischschja bereits auf gepackten Koffern sitzen. So hatte das oppositionelle russische Medium Meduza von Hinweisen über einen russischen Abzug aus dem AKW berichtet. Russland würde seine Waffen und Soldaten aus dem AKW abziehen, wenn es im Gegenzug Garantien erhielte, auch weiterhin Öl und Gas über ukrainisches Gebiet exportieren zu können, hatte Meduza berichtet.

Über die Druschba-Pipeline liefert Russland durch die Ukraine Öl nach Ungarn, in die Slowakei, in die Tschechische Republik und nach Polen.

Es wäre vielleicht besser, so Atomexpertin Koscharna zur taz, wenn man Russland stattdessen den Export von Ammoniak garantieren würde. Auch das ist im Gespräch. Ende November, so hatte die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, hatten sich Vertreter Russlands und der Ukraine in den Vereinigten Arabischen Emiraten getroffen und über die Möglichkeit eines Gefangenenaustauschs und eine Garantie für einen Export von russischem Ammoniak über ukrainisches Gebiet gesprochen. Ammoniak wird für die Herstellung von Düngemitteln gebraucht.

Alexander Musienko vom ukrainischen Zentrum für militärrechtliche Fragen begrüßt eine russisch-ukrainische Vereinbarung, bei der Russland das AKW verlässt und im Gegenzug Garantien für den Export von Energieträgern erhielte.

Russland könnte AKW aus der Entfernung kontrollieren

Doch selbst wenn Russland seine Waffen und seine Soldaten aus dem AKW abziehen würde, heißt das noch nicht, dass die Ukraine damit sofort wieder die Kontrolle über das AKW erlangt. Die Moskauer Firma „Organisation zum Betrieb des AKWs Saporischschja“ werde nämlich auch aus der Entfernung versuchen, weiterhin das AKW zu kontrollieren, fürchtet Olga Koscharna im Gespräch mit der taz. Außerdem sei nicht klar, wer aktuell legitimiert sei, das AKW zu leiten.

Die Ukraine habe Juri Tschernitschuk, der bisher Chefingenieur des AKWs war und nun mit Moskau einen Vertrag abgeschlossen hat, die Lizenz entzogen. „Derzeit gibt es niemanden in der Führung des AKWs“, so Koscharna, „der für diese Aufgabe eine gültige Lizenz hat.“ Es sei ein beispielloser Vorgang, dass ein AKW von Personen geführt werde, die dazu nicht lizensiert seien.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.