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Konflikt in der UkraineVolksrepublik mangelt es an Volk

Lediglich 2.000 Menschen demonstrieren in Donezk für ein Referendum über die Unabhängigkeit der „Volksrepublik Donbas“.

Teilnehmer der Kundgebung in Donezk. Bild: ap

DONEZK taz | Mehr als 2.000 Menschen versammelten sich am Sonntag auf dem Leninplatz der ostukrainischen Metropole Donezk, um ihrer Forderung nach Anerkennung der kürzlich ausgerufenen „Volksrepublik Donbas“ Nachdruck zu verleihen und die Bevölkerung zu einer zahlreichen Teilnahme am Referendum über die Unabhängigkeit am 11. Mai zu mobilisieren. Die Behörden der Stadt haben bereits erklärt, dass sie die Durchführung des Referendums nicht organisieren werden.

Wie ein roter Faden zog sich der Wille, dass man sich von der „Kiewer Junta“ nicht auf die Knie werde zwingen lassen, durch alle Wortbeiträge der aufgeheizten Demonstration. Vor der Bühne schützte eine Gruppe zum Teil vermummter Jugendliche die Redner vor potenziellen Störenfrieden. Doch diese Sorge war unbegründet. Die jovialen Gespräche zwischen den in olivgrünen Tarnanzügen gekleideten Ordnungskräften und der Polizei zeigten, dass man einem Heimspiel beiwohnte.

„Ihr Frauen“, wandte sich eine Rednerin an die Teilnehmerinnen. „Seht zu, dass sich eure Männer aktiv am Kampf beteiligen! Jeden Abend holt ihr sie betrunken aus den Kneipen. Warum bringt ihr sie nicht mit auf die Demonstration und das Referendum! Werft sie von ihren Sofas, zieht sie aus den Kneipen. Wir brauchen eure Männer für den Kampf.“

„Leute, heute kämpfen wir um unsere Freiheit, unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder“, rief eine andere Rednerin. „Steht auf und kämpft! Für unser Gebiet! Lasst euch nicht auf die Knie zwingen! Kommt zum Referendum am 11. Mai.“ – „Abgeordnete“, rief sie weiter ins Mikrofon. „Ihr habt uns das alles eingebrockt. An die Front nach Slawjansk mit euch! Donbas, erhebe dich, Volk, erhebe dich!“

Nicht unbedingt mehrheitsfähig

Doch in der kämpferischen Stimmung schwingt auch Unsicherheit mit. Mit 2.000 Demonstranten ist man in der Millionenstadt Donezk nicht unbedingt mehrheitsfähig. Für die Unabhängigkeitsbewegung wäre es ein schwerer Schlag, wenn das Referendum in der Bevölkerung kaum beachtet würde. Und so beklagt manch ein Redner die mangelnde Beteiligung. „Wo sind die Studenten?“, fragt eine Rednerin mit sich überschlagender Stimme.

In einer Frage herrscht Konsens: Mit der „Junta“ in Kiew will man nichts zu tun haben. Die Befragung des 11. Mai, so Denis Puschirin, Vorsitzender des Präsidiums der „Volksrepublik Donezk“, werde ganz einfach lauten: „Unterstützen Sie die staatliche Unabhängigkeit der Volksrepublik Donezk?“ Wie jedoch die Unabhängigkeit aussehen soll, lässt auch Puschirin offen. Sobald man souverän sei, werde man frei entscheiden, mit welchem Staat auf der Welt man eine Föderation oder Konföderation eingehen werde, so Puschirin.

Die Tage bis zum 11. Mai werden entscheiden, ob es der Bewegung gelingt, Bevölkerung und vor allem die Bergarbeiter hinter sich zu bringen. Diese waren in den letzten Tagen sehr ruhig. Sollte die Gewalt durch ukrainische Sicherheitskräfte jedoch zunehmen, kündigte der Bergarbeiterführer Juri Chawenko gegenüber der taz an, „werden wir Bergarbeiter unsere Arbeit niederlegen und unbewaffnet zu einer belagerten Stadt marschieren“.

Im späteren Tagesverlauf stürmten prorussische Kräfte den regionalen Fernsehsender in der Stadt.

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17 Kommentare

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  • "als erste Amtshandlung die russische Sprache verbieten wollte."

     

    Russisch sollte nicht verboten werden, sondern russisch als zweite Amtssprache. Das Vorbild dazu gaben die baltischen Staaten ab, in denen der Anteil Russen (ca. 25 %) höher liegt, als vergleichsweise in der Ostukraine. Die baltischen Russen sind offenbar ruhigeren Gemüts, was ihre Spracheitelkeiten betrifft.

    • @lions:

      Anwort @GEIMEINER HAI

      • @lions:

        Zugegeben, das war ungenau; es geht natürlich um die zweite Amtssprache. Aber ich denke, der Unterschied zu den baltischen Russen (übrigens war erst neulich im TV zu sehen, wie sehr etwa die estnischen Russen diskriminiert werden) dürfte vor allem darin liegen, dass diese nicht gerade frisch eine "Revolution" von Nato-Jazenjuk, Kalaschnikov-Timoschenko, Swoboda und Rechtem Sektor hinter sich haben. Wenn sich eine dermaßen nationalistisch-faschistoide "Regierung" an die Macht putscht und dann sofort eine solche Maßnahme ankündigt, würde ich mir als Russe dort der Tednenz nach, in die sich das entwickelt, auch große Sorgen machen ...

        • @Gemeiner Hai:

          Sicher, Russen in der Ostukraine sind verunsichert, doch nicht wenige von ihnen hoffen, dass sich in Kiew im Zuge der Wahlen da was ändert. Ich glaube, wie schon im Artikel berichtet, das ein Referendum für eine Förderation mit Russland scheitert. Der Gesetzentwurf zur Abschaffung der russ. Amtssprache ist schon 2 Monate vom Tisch. Was Ostukrainer verunsichert, ist das Gebaren der Separatistenführer, wie Ponomarjow, die offensichtlich nicht vor Folter, Geiselnahme und Mord zurückschrecken.

          • @lions:

            Ich glaube auch nicht, dass es ein Referendum für den Anschluss an Russland geben wird; allerdings bin ich auch nicht sicher, ob die Aufständischen das in ihrer Mehrheit überhaupt wollen. Ich persönlich würde auch gar nicht wollen, dass die Ostukraine auch noch an Russland fällt, denn dann kann Russland ja eigentlich gleich die ganze Ukraine schlucken - wo führt das hin? Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass viele Menschen in der Ostukraine große Hoffnungen auf diese Wahlen setzen - schließlich wird nur der Präsident gewählt, das Staatsoberhaupt also, während die Legislative nicht verändert wird. Allzu große Hoffnungen auf Veränderung sind da aus meiner Sicht also nicht angebracht.

  • Ich kann diese Bürger verstehen. Man sollte nie vergessen, dass das, was in der Ostukraine passiert, eine Reaktion auf den Putsch in Kiew ist, und auf eine nicht gewählte Regierung, die auch aus Faschisten besteht und quasi als erste Amtshandlung die russische Sprache verbieten wollte. Man sollte da Ursache und Wirkung nicht vertauschen. Außerdem finde ich es gut, dass man sich im Donbas an die sowjetische Vergangenheit erinnert, etwa in Form von Sowjetfahnen oder dem Begriff "Volksrepublik". Das heißt nicht, dass das alles gerechtfertigt ist, was da so passiert - aber verstehen kann ich es.

  • Was meinen Sie mit "Status der Region abchecken"? Es gibt in den östlichen Regionen keine russische Mehrheit. Auf demokratischen Weg kann Putin sich diese Regionen nicht einverleiben. Auch viele ethnische Russen wollen in der Ukraine bleiben und sich nicht Putins autortärer Herrschaft unterwerfen. Also kann Putin nur den Bürgerkrieg anheizen und demokratische Abstimmungen verhindern, wenn seine Annektionsgelüste erfolgreich sein sollen. Zugegeben angesichts des extrem starken russischen Interesses an einem Bürgerkrieg, wird man diesen wahrscheinlich selbst mit demokratisch fairen Referenden über den Anschliuss der östlichen Gebiete nicht verhindern können. Russland hat keinerlei Interesse an fairen Abstimmungen, die es nur verlieren würde.

    • @vulkansturm:

      Vulkansturm ist entweder ein russsicher Dissident oder ein andere Typ mit stark anti-russischem Hintergrund.

      Von Rußland hat er keine Ahnung, er hat sich die Propaganda des kalten Krieges des Westens angeschlossen.

      Rußland braucht keine zweite Krim.

      Rußland bracuht eine Ukraine, mit der man Handel triebn kann, die das gelieferte Gas bezahlt.

      Natürlich fühlt sich Rußland dem Brudervolk verpflichtet.

      Deshalb hat Moskau auch die einzigsten vernünftigen Vorschläge gemacht, aber der Westen hat den Wind gesät und erntet jetzt den Sturm.

      Logisch daß man jetzt einen Schuldigen sucht. "Rußland ist der Agressor" sagt unser Außenmister. Pfui Teufel!

    • @vulkansturm:

      Es geht nicht um russische Mehrheiten in der Region. Da spielen auch noch andere Ethnien mit. Es geht um den förderalen Status dort und ob dieser gewollt ist.

       

      Die ganze Ostregion hat in demokratischen Wahlen die weggeputschte Regierung ins Amt gewählt. Die wurde nicht gefragt ob sie einverstanden wären die Regierung zu vertreiben. Ohne einen förderalen Status wollen die von Kiew nicht regiert werden. Deshalb ist eine Abstimmung nur in der Ostukraine wichtig.

      Heute herrscht die Angst vor von Verbrechern in Kiew über den Tisch gezogen zu werden. Absimmen über den Staus der Regionen und dann eine Wahl der Regierung nur das sorgt für Frieden im Land.

       

      Eine Abstimmung a la manipulierte Telefonumfrage in Deutschland nutzt aber gar nichts. Deshalb mein Hinweis auf echte OSZE Beobachter.

       

      Übrigens gibt es im Westen Bestrebungen die Ukraine in Richtung Rumänien zu verlassen. Viele dort besorgen sich schon einen rumänischen Pass. Da trauen auch eine ganze Menge Bürger den Maidanputschisten nicht über den Weg

  • Nur weil Russland um jeden Preis einen Bürgerkrieg provozieren möchte, um dann ohne Rücksicht auf den wirklichen demokratischen Willen der Bewohner der Ost- und auch der Südukraine mindestens diese Gebiete der Ukraine sich ebenfalls einzuverleiben. Demokratisch faire Referenden in diesen Gebieten und eine förderale Verfassung könnten einen Bürgerkrieg verhindern, wenn Russland seine Machtgier nicht an erste Stelle setzen würde.

  • Ob Putin die Geister wieder los wird, die er mit seinem aggressiven Nationalismus gerufen hat. Das Anliegen der Maskierten und Bewaffneten in der Ostukraine geht an der Lebenswirklichkeit der meisten Bürger vorbei!

  • Wenn dem so ist wie im Artikel beschrieben wäre dies doch super.

     

    Kiew könnte Problemlos ein Referendum in der Ostukraine abhalten lassen. Eines das nicht Minderheiten erschlägt. Wie sie beschreiben gäbe es nur einen denkbaren Ausgang. Ein Votum wie es Kiew gerade recht käme.

    20 000 echte politische OSZE Beobachter in die Region. (Es dürfen auch ein paar weniger sein)

     

    Es könnte alles so einfach sein. Kiew fördert eine Abstimmung in der Region über den Status der Ostukraine. Danach bietet es evtl einen echten förderalen Staat ( Freistaat Bayern als Matrix) und führt dann demokratische Wahlen durch. Die Großmächte müßten nur noch stillhalten

     

    Wer könnte dagegen sein?

    • @conny loggo:

      Ja, das dürfte der Lösungsweg sein. Faire demokratische Abstimmungen, kontrolliert eventuell von der UN, über den Anschluss an Russland und eine föderale Verfassung für die (Rest?)-Ukraine. Das Problem dürfte sein, dass man sich in Kiew wohl nicht von bewaffneten Horden von Banditen und von Putin, der in einem Akt hinterhältig getarnter militärischer Aggression schon völkerrechtswidrig die Krim annektiert hat, erpressen lassen mag.

      Im Gegenzug für die Einwilligung in die Durchführung der Referenden und für eine förderale Verfassung müsste der Westen deswegen der Rest-Ukraine die Nato-Mitgliedschaft anbieten, damit für die Ukraine eine Sicherheit hergestellt wird, dass sie danach nicht weiter von Putin bedroht werden kann und dann wirklich nach den Referenden Ruhe einkehren kann.

      • @vulkansturm:

        Die ersten wilden Horden habe ich auf dem Maidan gesehen. Ich habe sogar im ZDF gesehen dass Scharfschützen der Putschistenaus aus dem Hotel auf den Maidan geschossen haben.

        Ohne dass eine unabhängige Kommision ( China, Island, Kanada evtl) nicht diese Vorfälle untersucht hat betrachte ich alle Beteiligten auf Führungsebene als Mörder.

         

        Mein Bemerkung zum Artikel sollte einfach darauf hinweisen dass die Menschen um die es jetzt get noch überhaupt keiner überprüfbar gefragt hat. Als ob die nicht auch eine Stimme und Minderheitenrechte in der Ukraine haben. Wenn der Artikel so stimmt hat doch eigentlich Kiew das größte Interesse daran Regional mal die Menschen abstimmen zu lassen.

        • @conny loggo:

          Die geplante Präsidentschaftswahl wäre doch so eine Abstimmung bei der man erkennen könnte, wie hoch der prozentuale Stimmenanteil der Menschen, die für einen Anschluss an Russland sind in den östlichen Landesteilen wirklich ist. Wieso versuchen dann die pro-russischen

          Kräfte mit aller Macht diese Wahl, die von der OSZE, also auch von Russland als OSZE-Mitglied, kontrolliert werden soll, zu verhindern. Eindeutig will Russland keine demokratische, faire Abstimmung in den östlichen Gebieten, weil man weiß, dass man diese verlieren würde. Daher hat für Russland Vorrang, die Ukraine zu destabilisieren und eine demokratische Entwicklung zu verhindern.

          • @vulkansturm:

            Die Abstimmung in der gesamten Ukraine kann nur der zweite Schritt sein. Denn die starke Minderheit der Russen würde unter heutigen Verhältnissen abgebügelt. Die würde eine starke Minderheit kolonisieren.

             

            Deshalb erst den Status der Region abchecken und dann Parlamentswahlen für alle

             

            Wir können nur Sandkastenspiele ins Netz stellen. Aber das Vorgehen nach ihrer Vorstellung verhindert keinen Bürgerkrieg heute oder morgen

  • Die Putschregierung in Kiew hat laut den am Sonntag veröffentlichten Satelitenbildern des Moskauer Verteidigungsministeriums schwere Waffen im Donbass zusammengezogen. Es soll sich unter anderem um 160 Panzer, 230 Schützenpanzerwagen und mindestens 150 Geschütze und Raketenwerfer handeln. 15.000 Soldaten stehen ebenfalls bereit. Damit kann man ganze Städte ausradieren. Ich würde unter diesen Vorzeichen auch nicht mehr aus dem Haus gehen. Warum weiß das der TAZ Autor nicht? Unwissenheit, wäre noch die freundlichste Auslegung. Oder ist es wieder ein besonders zynischer Manipulationsversuch?