Konferenz "Frauen Power im Islam": Kopfstoff für die Emanzipation
In Köln fand ein Treffen muslimischer Feministinnen statt. Zu den Gästen zählte auch Amina Wadud. Ihre Forschungen zum Koran gelten als Standardwerke des islamischen Feminismus.
Amina Wadud trägt ein rotes Kopftuch, ein schwarz geblümtes Kleid und Turnschuhe. Sie ist zu Gast auf der Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Thema "Frauen Power im Islam". Die 56-jährige Afroamerikanerin ist die zurzeit wohl prominenteste Vertreterin des feministischen Islam. Sie hat sich als Islamwissenschaftlerin, als Feministin und als Gläubige intensiv mit dem Koran beschäftigt. Für sie besteht kein Zweifel, dass er die Geschlechtergerechtigkeit in allen Lebensbereichen vorsieht. Als Grundlage ihrer Überlegungen nimmt Wadud die koranische Schöpfungsgeschichte. Darin ist zu lesen, dass Gott beiden, Mann und Frau, die Statthalterschaft auf Erden übertragen hat. Die Verse, die von der Überlegenheit des Mannes handeln, müssten vor dem Hintergrund der damaligen patriarchalen gesellschaftlichen Strukturen verstanden werden. Amina Wadud fordert ein Ende der von Männern dominierten Auslegung religiöser Schriften und ruft Frauen dazu auf, ihre Erfahrungen einzubringen.
Waduds Forschungen zum Koran gehören zu den Standardwerken des islamischen Feminismus. Sie dienen Gläubigen von Indonesien bis Ägypten, die den Islam von innen heraus reformieren wollen, als Grundlage. Für viele konservative Muslime allerdings bewegt sich die Frauenrechtlerin längst außerhalb des Islam. Das öffentliche Freitagsgebet, das sie vor drei Jahren in New York geleitet hat, war für die meisten muslimischen Gelehrten ein Skandal.
Aber Kritik kommt auch von säkular orientierten Frauen. Asha Elkarib etwa. Sie arbeitet für das Zentrum für Geschlechterforschung in Khartum. Elkarib räumt der feministischen Lesart des Koran keine Chancen ein gegen die jahrhundertealten frauenfeindlichen islamischen Gesetze im Sudan. Für sie liege die Verwirklichung der Gleichheit zwischen Mann und Frau nicht im Islam, sondern in einem säkularen System. Elkarib hat nichts dagegen, wenn der Islam die persönliche Beziehung zwischen Mensch und Gott bestimmt, aber er solle nicht den öffentlichen Raum beherrschen oder sich etwa in den Gesetzen niederschlagen.
Andere Frauen hingegen argumentieren, dass die Mehrheit der Muslime kaum für Reformen zu gewinnen sein dürfte, die sich am Koran vorbei allein auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte stützten. Mit einem Diskurs, der sich innerhalb des islamischen Rahmens bewege, könnten rechtliche Verbesserungen für Frauen leichter durchgesetzt werden. Ein Beispiel dafür ist die Reform des Personenstandsrechts in Marokko. Seit 2004 gehören marokkanische Frauen, zumindest auf dem Papier, zu den emanzipiertesten in der arabischen Welt. Die Reform kam nach einem Konsens zwischen konservativen, reformorientierten und säkularen Kräften zustande. Das Gesetzeswerk orientiert sich zwar an internationalen Standards, aber der islamische Bezugsrahmen bleibt gewahrt. Das wird etwa an der Polygamie deutlich. Dem Mann wird zwar weiterhin erlaubt, eine zweite Frau zu heiraten, aber die Eheschließung ist an schwierige Bedingungen geknüpft.
Doch auch für Muslime in westlichen Gesellschaften kann eine feministische islamische Theologie neue Impulse für die Glaubenspraxis bringen. Alia Hogben ist Sozialarbeiterin in Ontario und Vorsitzende des Kanadischen Rates für muslimische Frauen. Sie hat vehement gegen den Versuch gekämpft, in Kanada islamisches Familienrecht zur Anwendung zu bringen: "Wir sind gegen jedes religiöse Recht, sei es islamisch, christlich oder jüdisch. Aber dennoch, für die Gläubigen unter uns westlichen Muslimen ist die Arbeit am Text, am Koran sehr wichtig, weil das einen Teil der Identität ausmacht." Man müsse "sich fragen, was in ihm ewige Gültigkeit besitzt, was im Kontext verstanden werden soll und was weiterentwickelt werden kann. Die Diskussion mag für Nichtmuslime interessant sein, aber für Muslime ist sie sehr wichtig." MONA NAGGAR
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