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Konferenz "Cognitive Cities""Extrempositionen sind wenig hilfreich"

Debatten um "Augmented Reality" kreisen oft um Verniedlichung von Technik und um Überwachung. Auf der Berliner Konferenz "Cognitive Cities" war das anders.

Eine der bekanntesten Anwendungen aus dem Bereich "Augmented Reality" sind Orts- und Gebäudebestimmungen mit Smartphones. Bild: reuters

BERLIN taz | Kann Technik höflich sein? Für Sami Niemelä stellt sich diese scheinbar absurde Frage nahezu jeden Tag. Niemelä arbeitet in Helsinki an der Entwicklung der städtischen Info-Portale. Aus den eher undynamischen Datenbanken sollen intelligente Objekte werden, die mit ihren Benutzern interagieren. Und Höflichkeit spielt für eine gelungene Interaktion nun mal eine entscheidende Rolle. Aktuell bemüht sich Niemelä, die automatischen Sprachausgabe der Infokästen in einer möglichst angenehmen Tonlage klingen zu lassen.

Sein Projekt stellte Niemelä auf der Cognitive Cities Conference vor, die am Samstag zum ersten Mal in Berlin stattfand. Aus der Perspektive von Designern, Netzaktivisten und Umweltexperten bot die Konferenz den 300 Gästen einen Überblick über Technologien, die unter Oberbegriffen wie Augmented Reality, Ambient Intelligence oder Netz der Dinge bekannt sind.

Noch immer bewegen sich Diskussionen um Augmented Reality zwischen gimmickhafter Technikverniedlichung der Marke "ein Kühlschrank, der selbstständig Essen nachbestellt" auf der einen und von George Orwell und Michel Foucault inspirierten Überwachungsstaatsfantasien auf der anderen Seite.

Mit Sensoren ausgestattete Gebäude, Werbeanzeigen und Verkehrsleitsysteme bilden gemeinsam mit GPS- und internetfähigen Handys und Smartphones eine Sphäre, die neben vielen Gefahren auch zahlreiche Chancen für ein besseres Zusammenleben in städtischen Räumen bietet.

"Extrempositionen sind wenig hilfreich. Wir sollten uns aber bewusst sein, dass intelligente Objekte unser Leben schon heute auf vielfältige Weise bestimmen," sagte der New Yorker Netzwerktheoretiker Adam Greenfield in seinem Eröffnungsvortrag. "Allein durch unsere Anwesenheit im öffentlichen Raum kreieren wir Unmengen an verwertbarer Information."

Als Beispiel nannte Greenfield elektronische Werbetafeln, die über winzige Kameras die Aufmerksamkeit der Passanten registrieren. Auf Basis dieser Daten können so ortsspezifisch zugeschnittene Werbe- und Angebotsstrategien erstellt werden. "Dabei werden Leute nach vereinfachenden und diskriminierende Kategorien wie Rasse, Alter und Geschlecht eingeteilt und unwissend zu Marktforschungsobjekten."

Greenfield plädierte deshalb dafür, im öffentlichen Raum gesammelte Daten grundsätzlich für jeden zugänglich zu machen, auch wenn dies heute noch an technischen Voraussetzungen und mangelndem Bewusstsein scheitere. Funktionierende urbane Netzwerke wie Carsharing-Systeme machten dagegen Hoffnung für die Zukunft.

Die Ambivalenz, die Augmented-Reality-Technologie innewohnt, verkörpert wohl niemand so sehr wie Matt Biddulph. Biddulph ist Mitgründer von Dopplr, einem sozialen Netzwerk, in dem Benutzer ihre Reiserouten veröffentlichen, Mitreisende treffen und Informationen über die Umweltverträglichkeit ihrer Trips bekommen können. "Uns war wichtig, den Usern alle von uns gesammelten Daten zur Verfügung zu stellen."

Im Herbst 2009 wurde Dopplr von Nokia aufgekauft, Biddulph entwickelt heute für den finnischen Mobilkonzern Programme, mit denen die Shoppinggewohnheiten von Handynutzern analysiert werden. Auf die Frage, wozu Nokia genau diese Informationen nutzt, kann er keine eindeutige Antwort geben.

Chancen eröffnet Augmented Reality dagegen im Bereich des Umweltschutzes. Dietmar Offenhuber vom Massachusetts Institute of Technology in Boston berichtet von einem Projekt, bei dem die Entsorgungswege von Hausmüll mit GPS-Sensoren aufgezeichnet wurden. Die Müllrouten lassen sich nicht nur als subtiles Erziehungsmittel für nachhaltigen Konsum, sondern auch als Druckmittel gegen Entsorgungsunternehmen verwenden, die auf der Suche nach der billigsten Halde absurde Umwege in Kauf nehmen.

"Bis die Gesetzgeber auf die Möglichkeiten von Augmented Reality aufmerksam werden, sind viele der hier Anwesenden wahrscheinlich alt und frustriert," prognostizierte Greenfield. Mit der Cognitive-Cities-Konferenz ist zumindest ein wichtiger Schritt zu mehr Bewusstsein unternommen worden.

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1 Kommentar

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  • MA
    Martin Adam

    In Berlin beschäftigt sich das Projekt MAGUN der Beuth-Hochschule und der HTW zusammen mit zwei Unternehmen mit dem Einsatz von Augmented Reality im Bereich von Umweltdaten und bei der Indoor-Navigation.

     

    Die mCRUMBS GmbH ist dabei für die technische Umsetzung im Bereich Augmented Reality zuständig. Mehr als 60 Projekte konnten weltweit von mCRUMBS umgesetzt werden. Von der einfachen Supermarktsuche über Hotelbuchungsanwendungen und Wohnungssuche bis hin zur Festival-Navigation und Erweiterung von Offlinemedien konnten entwickelt werden.