Kompromissvorschlag zu § 219a: Ein kleines bisschen Information
Das Kabinett billigt den Entwurf zur Reform von § 219a. Kritik kommt aus der Opposition, aber auch vom Berufsverband der Frauenärzte.
Demnach ist es Ärzt*innen und Kliniken künftig erlaubt, öffentlich darüber zu informieren, dass sie Abtreibungen durchführen. Für weitergehende Information, etwa über die angewandten Methoden, müssten die Mediziner*innen aber auf Listen auf den Webseiten neutraler Stellen verweisen. Erstellt werden soll diese von der Bundesärztekammer. Außerdem soll die Pille Frauen künftig bis zum 22. Geburtstag kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.
Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) nannte die Einigung einen „klassischen Kompromiss“. Er greife aber die „zentralen Forderungen“ der Koalitionspartner auf: „Keine Schwächung des Schutzkonzepts für das ungeborene Kind und ein vereinfachter Zugang zu Informationen.“ Aus der Opposition kam scharfe Kritik. Ulle Schauws (Grüne) nannte es „absurd“, Ärzt*innen „das Wort Schwangerschaftsabbruch zu erlauben, aber jede weitere Silbe unter Strafe zu stellen“.
Linken-Fraktionsvize Cornelia Möhring erklärte, der Vorschlag sei „letztlich eine Verschlechterung. Die „Entmündigung von Frauen“ gehe weiter. Alle drei forderten die Freigabe der Abstimmung im Bundestag. Stephan Thomae, FDP-Fraktionsvize, sagte, sachliche Information wie die auf der Webseite der verurteilten Ärztin Kristina Hänel sei auch weiterhin nicht möglich. „Das kann doch nicht die Lösung sein, die die SPD ihrer Basis verkauft.“
Aufstand nicht zu erwarten
Während die Union den Paragrafen am liebsten nicht angetastet hätte, wollte die SPD ihn eigentlich abschaffen. Bei dieser Forderung bleibe sie, hatte Maria Noichl, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF), den Entwurf vorab kommentiert. Die Parteilinke Hilde Mattheis kündigte in der Passauer Neuen Presse ihr Nein bei einer Abstimmung an.
Berufsverband der Frauenärzte
Dass die SPD sich nach monatelangem Ringen mit dem Koalitionspartner nun querstellt, ist aber kaum zu erwarten. Sie bedaure zwar, dass Ärzte nicht selbst umfänglich informieren dürften, erklärte die SPD-Abgeordnete Wiebke Esdar. Sie halte das aber bei einem so schwierigen Kompromiss für vertretbar. „Das, was möglich war, haben die SPD-Ministerinnen erkämpft, das verdient Anerkennung.“ Zu klären bleibe, wie niedrigschwellig die Informationen künftig tatsächlich erreichbar seien.
Die Bundesärztekammer hatte den Entwurf vorab begrüßt. „Das ist ein tragfähiger Kompromiss, der allen hilft“, hatte Präsident Ulrich Montgomery erklärt. Der Berufsverband der Frauenärzte begrüßte die Lockerung zwar grundsätzlich. Es sei aber „nicht nachzuvollziehen, aus welchem Grund Ärzte und Krankenhäuser nicht sachlich über die unterschiedlichen medizinischen Methoden zur Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs informieren dürfen“. Auch die von Strafverfahren betroffenen Ärztinnen übten Kritik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern