Kompromiss zur EU-Urheberrechtsreform: Klitzekleine Ausnahmen

Deutschland und Frankreich finden zum Artikel 13 der EU-Urheberrechtsreform einen Kompromiss. Kritik daran kommt von mehreren Seiten.

Youtube-Logo als Bühnenskulptur, ein Mann geht schnell daran vorbei

Wird Youtube nach der Urheberrechtsreform die große Zensurmaschine anwerfen? Foto: dpa

BRÜSSEL afp/taz | Es ist erst wenige Monate her, da gerieten zahlreiche Youtuber und ihre Fans in Panik: 2019 könnte auf ihrer Plattform nichts mehr so sein wie bisher, wenn, ja wenn in Brüssel diese Urheberrechtsreform und insbesondere Artikel 13 verabschiedet wird. Denn dieser Artikel ist es, der für Online-Plattformen wie Youtube Anreize schaffen soll, Inhalte zu entfernen, für die von Urhebern keine Lizenz erteilt wurde. Was erst einmal fair klingt, ganz im Interesse von Musikern und anderen Künstlern. Kritiker warnen hingegen schon seit längerem, dass die damit avisierte strengere Pflicht zur Filterung von Inhalten die Netzfreiheit ernsthaft eingeschränkt würde.

Nun scheint es, als hätten Deutschland und Frankreich sich im Streit um die umstrittene Reform des Urheberrechts in der EU geeinigt. Bislang vertraten beide Länder keine einheitliche Position zum hoch umstrittenen Artikel 13 der Reform, was die EU-Beratungen seit Januar blockierte. Nun aber, so zumindest will es die Nachrichtenagentur AFP aus EU-Kreisen erfahren haben, soll der Weg frei sein für ein Treffen aller 28 EU-Mitgliedsstaaten am Freitag, bei dem eine gemeinsame Position festgelegt werden könnte. Gelingt den EU-Ländern eine Einigung, könnten danach die Verhandlungen mit dem Parlament und der EU-Kommission abgeschlossen werden.

Ausnahmen für Kleine

Deutschland wollte erreichen, dass Kleinunternehmen und Start-ups von der Pflicht ausgenommen werden, bei ihnen bereitgestellte Inhalte zu filtern. Dies lehnte Frankreich ab. Nach dem nun gefundenen Kompromiss müssen Firmen für Ausnahmen drei Kriterien erfüllen: Sie müssen mindestens drei Jahre bestehen, ihr Umsatz muss weniger als zehn Millionen Euro betragen und die Nutzerzahl muss unter fünf Millionen pro Monat liegen.

Unternehmen, die über diesen Schwellen liegen, müssen hochgeladene Inhalte nach von den Lizenzinhabern bereitgestellten Listen filtern und verhindern, dass nicht genehmigte Werke wieder auf ihrer Plattform erscheinen. Europäische Medien-, Journalisten- und Verlegerverbände hatten sich Ende Januar in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den französischen Präsidenten Emmanuel Macron gewandt und gefordert, die Blockade zu überwinden.

„Schlimmer als zuvor“

Die EP-Abgeordnete Julia Reda von der Piratenpartei zeigte sich mit dem nun vorgelegten Kompromissvorschlag äußerst unzufrieden. Der Artikel 13 sei in seiner jetzt avisierten Form „schlimmer als zuvor“, so Reda auf ihrem Blog. „Der deutsch-französische Kompromiss zu Artikel 13 verlangt, dass fast alle unsere Posts oder geteilten Inhalte online von einer ‚Zensurmaschine‘ – Algorithmen, die grundsätzlich nicht dazu in der Lage sind, zwischen Urheberrechtsverstößen und legaler Nutzung für Parodie oder Kritikzwecke zu unterscheiden – vorab Existenzerlaubnis erhalten“, heißt es darin weiter.

Kritiker wie Reda befürchten, dass Plattformanbieter aufgrund von Artikel 13 dazu übergehen, sogenannte Upload-Filter einzusetzen, um sicherzustellen, dass Nutzer nur urheberrechtlich geschütztes Material hochladen. Doch je schärfer diese Filter eingestellt sind, desto fehleranfälliger werden sie.

Der Berichterstatter für die Urheberrechtsreform im EU-Parlament, Axel Voss, sieht das Gesetz hingegen in der Endphase. Bis spätestens 14. Februar will er die Reform „durchbekommen“, sagte der CDU-Politiker am Dienstag vor Journalisten. Hintergrund dürfte der Wunsch sein, die Urheberrechtsreform noch vor den Europawahlen im Mai unter Dach und Fach zu bekommen.

Die nun von Deutschland und Frankreich gefundenen Ausnahmen für kleine Unternehmen gehen Voss bereits zu weit. Er wolle keine weiteren Schlupflöcher schaffen, zitiert ihn futurezone.at. Voss halte noch einige Korrekturen für notwendig. Es müsse einen Unterschied zwischen großen und kleinen Unternehmen bzw. Start-ups geben, aber man ringe um die Parameter. Laut netzpolitik.org sagte der Unionspolitiker weiter, der Vorschlag der EU-Staaten sei aus Sicht des Parlaments zu weich: Denn die Ausnahme biete ein Schlupfloch für Plattformen, ihre Aktivitäten schlicht neu zu definieren und damit der Filterpflicht zu entgehen.

All das bedeutet: Erst in den kommenden Wochen wird sich entscheiden, welche Fassung von Artikel 13 tatsächlich in der künftigen Urheberrechtsrichtlinie stehen wird. Das Europaparlament hatte im vergangenen September eine Verhandlungsposition beschlossen, die Mitgliedsstaaten konnten bislang noch keine Einigung erzielen. Inzwischen drängt aber die Zeit – zumindest dann, wenn das Ziel ist, die Urheberrechtsreform vor den Europawahlen zum Abschluss zu bringen.

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