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Kompromiss statt RevolutionLinke bläst Erneuerung ab

Aus der großen Strukturreform in der Linkspartei wird der kleinste gemeinsame Nenner: Spitze wird von vier auf zwei Posten halbiert, Trennung von Amt und Mandat bleibt.

"Rote Nasen": Die Reformer in der Linkspartei konnten sich nicht durchsetzen. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die Revolution in der Hamburger Linkspartei ist abgesagt. Die angepeilte umfassende Erneuerung von Landesvorstand und Leitungsgremien wird auf dem Parteitag am 24. März nicht stattfinden. Das ist der Stand der internen Debatte, die nach taz-Informationen bisweilen „lebhaft und lautstark“ geführt worden ist, wie Teilnehmer berichten.

Im Ergebnis dürfte die zur Entscheidung anstehende Gretchenfrage, ob die Partei Effektivität über Basisdemokratie und Professionalismus über Dogmatismus zu stellen bereit ist, mit einem kompromisslerischen Jein beantwortet werden. Fast sechs Jahre nach der Fusion von WASG und PDS (siehe Kasten) zur Linkspartei „findet die Revolution nicht mal im Saale statt“, spottet ein Eingeweihter, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte.

Die interne Kompromisslinie sieht demnach so aus: Die Zahl der Sprecher des Landesvorstandes wird von vier auf zwei verkleinert und der gesamte Landesvorstand von derzeit 22 auf „zehn bis 20“ Mitglieder – „je nachdem, wie viele kandidieren“. Bürgerschaftsabgeordnete dürfen beiden Gremien nicht angehören, denn die Trennung von Amt und Mandat soll „zu 100 Prozent“ erhalten bleiben, heißt es in den Papieren. Das sei eine „schwierige Debatte“, räumt Herbert Schulz ein, einer der aktuellen vier Vorstandssprecher. Die Frage der Ämterhäufung sei für viele in der Partei „ein emotionales Problem“.

Die Linkspartei

Die Linkspartei entstand im Juni 2006 durch die Fusion der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) mit der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS).

Landesverband: Die Linke in Hamburg hat 1.237 Mitglieder (Stand: 31. 12. 2011). Das entspricht in etwa der Größe von GAL und FDP.

Vorstand: Die vier gleichberechtigten SprecherInnen sollten das Prinzip der "doppelten Quotierung" repräsentieren: je ein Mann und eine Frau von WASG und PDS.

Fraktion: In der Bürgerschaft ist die Linke seit 2008 vertreten. Bei der Wahl am 20. Februar 2011 zog sie mit 6,4 Prozent und acht Abgeordneten zum zweiten Mal ins Rathaus sowie in alle sieben Bezirksversammlungen ein.

Als nicht mehrheitsfähig verworfen wird auch das Ansinnen, einen Landesvorsitzenden plus Stellvertreter zu wählen und nach dem Vorbild anderer Landesverbände einen Landesausschuss als höchstes Gremium zwischen den Parteitagen einzurichten. „Dieser Kompromiss ist der kleinste gemeinsame Nenner“, sagt ein prominenter Linker, ein anderer nennt ihn „das, was möglich ist“. Denn für Satzungsänderungen sind Zwei-Drittel-Mehrheiten erforderlich – da müssten „möglichst viele mitgenommen“ werden.

Ende November vorigen Jahres war ein erster Parteitag zu diesem Thema im Chaos geendet. Nach eineinhalb Tagen hitziger Diskussionen war die Sitzung ergebnislos abgebrochen worden. Der 13-seitige Vorschlag zur Reform der Führungsstrukturen hatte keine Chance auf eine satzungsändernde Zwei-Drittel-Mehrheit. Er sah vor, einen Vorstand aus zwei gleichberechtigten Sprechern, SchatzmeisterIn und vier BeisitzerInnen einzurichten, von denen „eine Minderheit“ von höchstens drei Mitgliedern Mandatsträger in Bürgerschaft, Bundestag oder Europaparlament sein dürfe. „Wir müssen die Parallelentwicklung zwischen Partei und Fraktion stoppen“, hatte Herbert Schulz damals vergeblich geworben: „Die Arbeit muss besser verzahnt werden.“ Stattdessen bissen die Reformer sich die Zähne an den Strukturkonservativen in der Partei aus.

Ende März soll ein neuer Versuch unternommen werden. Bereits einen Monat darauf, am 28. April, stehen die regulären Vorstandswahlen auf der Tagesordnung – da müssen zuvor die Modalitäten klar sein. Deshalb halten sich mögliche KandidatInnen bedeckt, so lange die Strukturfrage unklar ist. Nur Schulz lässt sich zitieren mit dem Satz: „Ich kann mir eine erneute Kandidatur als Vorstandssprecher vorstellen.“

Erwartet wird in Parteikreisen, dass mehrere Bezirksparlamentarier antreten. Intern gilt die Neuwahl „als Schaulaufen für Bürgerschaftsmandate“ in drei Jahren. Da heißt es, rechtzeitig Ansprüche anzumelden.

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4 Kommentare

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  • RB
    Rüdiger Bäcker

    In einer Zeit der Ämterhäufung und eines Füllhorns, welches Lumpen mit Ehrensold übergießt, ist mir eine Partei, die der Ämterhäufung und innerparteilichen Demokratie zuneigt, sehr lieb und teuer.

    Von irgendwoher müssen doch die im demokratischen Vollzug erprobten Gegenmodelle kommen, mit denen dem Parteienstaat zugunsten einer Demokratie der Gar ausgemacht wird ? Und warum es schlecht sein soll, dass Viele reden, wo sonst nur Wenige sprechen und der Rest schweigt, erschließt sich mir auch nicht ?

    Ich kann diesen Artikel überhaupt nicht einorden. Die Feindseligkeit des Autors paßt irgendwie nicht zur TAZ, die exakt unter den oben geritzten Rubri vor vielen Jahren angetreten ist, anderen ( besseren ) Journalismus zu betreiben.

    Ohne scherzen zu wollen: Mit einem solchen Artikel empfiehlt man sich bei Springerblättern.

    • HM
      Hein Mück
      @Rüdiger Bäcker:

      Nun Herr Bäcker, wer sich selbst als Opfer bei MoPo und Springer hinstellt um mit dieser Masche für unerlaubte Rechtsberatungen auf Mandantenfang geht, muss sich nicht wundern wenn er eines Tages ganz gehörig auf die Schnautze fällt.

  • C
    Costas

    Herr Veit,

     

    den effektheischenden Ton in ihrem Artikel und Kommentar finde ich äußerst grenzwertig. Ich würde sehr gerne vo Ihnen wissen, warum es eine Revolution und Erneuerung wäre, wenn (basis-)demokratische Elemente zurückgedrängt würden. Warum ist es für sie anscheinend positiv, wenn die Trennung von Amt und Mandat aufgehoben wird?

     

    Ihre Schreibe entspricht dem gängigen Ton, der immer in der taz angeschlagen wird, wenn über DIE LINKE geschrieben wird: nämlich - so wird ständig suggeriert - so wie sie ist und was sie fordert sei sie von gestern. Hinzu kommen immer wieder (sehr auffällig in Artikeln über DIE LINKE) nicht überprüfbare O-Töne von angeblichen "besorgten Genossen" o.ä.. Manchmal möchte ich an der Korrektheit dieser O-Töne zweifeln.

     

    Dumm für Sie, Herr Veit, ist nur, dass der Zeitgeist eine ganz andere Sprache spricht als ihre Schreibe vorgibt. Der Hype um die basisdemokratiscehn Ansätze der Platzbesetzer oder anderen Aktivisten des letzetn Jahres gründet sich zu nicht unerheblicehn Teilen auf deren Verständnis darüber Macht verteilen, statt sie zu zentralisieren. Eine PArteibasis einzubinden und gemeinsam Positionen und Strukturen zu erarbeiten ist doch das,was wichtig ist.

     

    Interessant ist auch ihre völlige Beliebigkeit der Vorwürfe: ein großer Landesvorstand (der nun flexibel so ausgestaltet werden soll, dass er den jeweiligen Bewerbungen entsprechen soll - was sehr viel zulässt und eine gute Regelung ist) wäre für sie ein Palaververein. Aha. Ein noch viel größerer Landesausschuss aber nicht. Ihr Artikel endet mit einem nicht nachprüfbaren Vorwurf, es gäbe jetzt schon ein Schaulaufen um POsten für Wahlen in 3 Jahren. Wie passt denn dies mit ihrer Sympathie für die KOnzentration von Posten und Entscheidungsbefugnissen zusammen, die ja gerade der Anreiz für solch blödes HAuen und Stechen wären. ALSO: Merken sie eigentlich noch, wie sie da argumentieren???

     

    WEnn Sie sich in der LInkspartei auskennen würden, würden sie wissen, dass ein Vorstand von bis zu 20 Personen (oder mehr) in anderen Landesverbänden Gang und Gäbe ist. Einem Vorstand erst die Handlungsfähigkeit zuzusprechen, wenn er klein und konzentreirt ist, ist Unsinn. Handlungsfähig könnte der Vorstand auch derzeit sein. Dass er dies nicht ist, liegt mitunter am Personal.

     

    Da ist der von ihnen einzig namentlich zitierte Genosse Schulz der erste, der sich an die eigene Nase fassen muss. Als langjähriger LAndessprecher hätte er stets Dinge anschieben und handlungsfähig sein können sowie die Arbeit der Partei und Fraktion besser verzahnen können. Das hat er nicht getan - und es liegt weiss Gott nicht nur daran, dass der böse Landesvorstand ihn daran gehindert hätte!

     

    Im übrigen halte ich es für bedenklich, wie sie den letztjährigen Parteitag, der über die Satzung entscheiden sollte "beschreiben". Es kann wohl kaum als Chaos bezeichnet werden, wenn dei Basis der Partei einem umstrittenen Vorschlag nicht per se einen Freifahrtsschein gibt, sondern sich die versch. Lager innerhalb der Partei in den letzten Monaten auf einen KOmpromiss einigen konnte. Genau das ist Demokratie und ein tolles Zeichen in der Aprtei, dass man sich für wichtige Sach-und Organisationsfragen nicht einem Hau-Ruck-Druck unterwirft!

     

    Und schließlich: Der Ausstieg aus Ihrem Kommentar ist eine billige Verquickung von Kausalketten, die kaum was miteinander zu tun haben und wirkt als quasi-Drohung. In einigen Jahren, wenn die Linke aus den Parlamenten geflogen sei, würde man die Notwendigkeit strafferer Führungsriegen schon erkennen. Ich verweise noch ma darauf, dass auch unter derzeitigen Strukturen Handlungsfähigkeit möglich wäre (wenn die Fähigkeiten einzelner Personen besser wären).

     

    Costas

  • D
    Domenq

    In Zeiten immer krasserer Umverteilung von unten nach oben, von wieder erstarkenden Klassendifferenzierungen, wäre eine Partei basisdemokratischer Egalität unverzichtbar.