Komponist über literarische Frauenfigur: „Sie will böse sein und darf nicht“
Den Gender-Diskurs bereichern: Der Hamburger Komponist Samuel Penderbayne interpretiert Shakespeares Lady Macbeth neu.
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taz: Herr Penderbayne, Ihre Komposition „Unsex Me Here“ verarbeitet William Shakespeares „Macbeth“. Ein Stück, von Gewalt und bösen Geistern geprägt – im Theater wird sogar der Titel gemieden, weil er Pech bringe.
Samuel Penderbayne: Man sagt tatsächlich nicht: Wir inszenieren „Macbeth“, man sagt: „The Scottish play“ – eine verspielte Tradition. Das Stück hat mit bösartigen Geistern, Verschwörungen und Aberglauben zu tun. Man kann damit das Thema Bosheit erforschen. Das finde ich interessant – aber darum geht es mir nicht.
Sondern?
Mein Schwerpunkt ist das Thema Genderrollen, bezogen auf Lady Macbeth. Der Clou ihres Monologs „Unsex me here“ ist genau der: Lady Macbeth will böse sein – und empfindet, dass sie das nicht darf. Damals wurde das gesellschaftlich vorgeschrieben: Frauen sollen die guten Geister herbeirufen. Deswegen beinhaltet ihr Monolog für mich einen bereichernden Aspekt des Gender-Diskurses.
Sie sind Australier. Haben Sie einen persönlichen Bezug zu Shakespeare?
Shakespeare war einer der Autoren, der mich zur Welt des Theaters und die damit zusammenhängenden psychologischen Vorgänge gebracht hat. Ich hatte immer eine enge Beziehung zu den Stoffen, zu dem, was Shakespeare schreibt – obwohl die Zeiten nicht unterschiedlicher sein könnten. Da ist etwas Ur-Menschliches in Shakespeares Schreiben und spezifischer in der Figur der Lady Macbeth. Der Monolog „Unsex me here“ ist für mich eine absolute Schlüsselszene.
Konzert „resonanzen sechs. you spirits“ mit Stücken von Samuel Penderbayne, Igor Strawinsky, Brett Dean und Alfred Schnittke: Di, 7. 6. + Mi, 8. 6., 19.30 Uhr Hamburg, Elbphilharmonie
Es geht Ihnen auch um eine neue Interpretation der Lady Macbeth?
Einer der Gründe, warum ich den Monolog als brandaktuell empfunden habe, ist, das ich denke, dass zur Gleichstellung auch gehört, dass Unterdrückte auch böse sein dürfen.
Nun inszenieren Sie ja kein Theaterstück, sondern haben aus diesem Monolog Musik für das Hamburger Ensemble Resonanz gemacht.
Wir interpretieren den ursprünglichen Text durch Musik, also wie ich den Text sehe.
Das heißt, der Text ist nicht Teil Ihres Stücks, aber er ist vorhanden, man kann ihn lesen. Die Musik ist, wie Sie die Geschichte interpretieren.
Das Publikum ist frei, Shakespeares Text zu interpretieren, wie es möchte. Was wir gerade besprochen haben, ist meine Interpretation.
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