Komplizierter VfL Wolfsburg: Draußen Geschrei, drinnen Pleite
Manche unter seinen Anhängern geben den „Scheißmillionären“ auf dem Platz die Schuld. Aber die Lage beim Bundesligisten VfL Wolfsburg ist komplizierter
WOLFSBURG taz | Flüchtet man sich nicht in Populismus, dann muss man aushalten, dass die Realität des Fußballs viel zu komplex ist, um sie mit einfachen Antworten zu erfassen. So stand der Wolfsburger Fußballprofi Maximilian Arnold am Samstag nach dem 1:2 gegen Leverkusen im Bauch der VW-Arena und sollte sagen, was genau das Problem ist und was jetzt passieren muss. „Wir müssen einfach …“, sagte er. Hielt inne. Wackelte mit den Schultern. Schwieg. Neue Fragen, irgendwann sagte er fast schon verzweifelt: „Keine Ahnung.“ Das war ein authentischer Moment der Wahrheit.
Vor dem Stadiontor standen derweil Wutkleinbürger, die sich „Fans“ nennen, und riefen: „Scheißmillionäre!“ Das mag dem Versuch geschuldet sein, der Scheiß-Komplexität zu entrinnen, ist aber eine zusammenhanglose Verrohung. Denn selbst wenn das Team des VfL Wolfsburg ein Mentalitätsproblem haben sollte: Die Vorstellung, dass „Scheißmillionäre“ nicht kämpfen und deshalb schuld sind, ist genauso wenig von Fakten gedeckt wie andere populistische Reflexe. Mal ganz abgesehen davon, dass man an einem Wochenende, an dem VW den baldigen Wegfall von vielen tausend Arbeitsplätzen weltweit ankündigt, vielleicht eher vor dem Werkstor protestieren sollte.
Es gibt noch keine objektiven Belege, dass die Krise von Volkswagen und die der VW-Tochter VfL zusammenhängt. Aber nach diesem Wochenende gibt es Indizien, dass auch die Probleme des VfL in seinem 20. Bundesligajahr gravierender sind, als man es hatte sehen wollen: Nach neun Spieltagen stehen die Wolfsburger auf Relegationsplatz 16, haben seit dem Saisonauftakt kein weiteres Mal mehr gewonnen, den langjährigen Trainer Dieter Hecking entlassen – und spielen nun noch schlechter. 2015 war Hecking mit der Entwicklung von Team und Stil wirklich schon sehr weit, und dann brach alles wieder zusammen, langsam, aber nachhaltig. Alles Nachjustieren wollte nicht helfen, zuletzt spielte der VfL nur noch bräsig in die Breite. So ist Fußball eben auch.
„Dann kommt die Angst zu verlieren“
Nach einer ordentlichen ersten Halbzeit sah es aus, als mache Interimstrainer Valerien Ismael, 41, kleine Fortschritte: Der von ihm ins Abwehrzentrum beorderte Ricardo Rodriquez hatte mit einem lang vermissten Flugball die hoch stehende Bayer-Abwehr ausmanövriert, was zu Arnolds 1:0 führte (37.) – ein Tor, wie es den „Wölfen“ lange nicht gelang.
Dann gab der VfL die zweite Hälfte ab, indem er sich tief in die eigene Hälfte zurückzog und die Bälle nur noch Richtung Mittellinie haute. Das war nicht geplant und keiner der Spieler konnte es nachher erklären. „Du spürst, vielleicht geht heute was“, sagte Ismael, „aber dann kommt die Angst, das Spiel zu verlieren.“ So erkläre er sich das. Die Gäste aus Leverkusen, selbst mehr mit einer Krise kämpfend als mit dem VfL, drehten das Spiel innerhalb von vier Minuten (79., Mehmedi, 83. Jedvaj). Bayers gesperrter Trainer Roger Schmidt sah von der Loge aus zu.
„Wir funktionieren als Mannschaft nicht“
Nun wächst der Druck auf VfL-Chef Klaus Allofs, früher als geplant einen neuen Trainer zu präsentieren, der schnell Punkte gegen den Abstieg holt und mit dem mittelfristig die größeren Ziele angepeilt werden können. Samstagabend sah Allofs schon ziemlich angefressen aus, hielt aber eisern an seiner üblichen Strategie fest – einer verbindlich daherkommenden Kommunikation: Er habe „eine Sorgfaltspflicht“, zu prüfen, ob es einen Trainer auf dem Markt gebe, der besser zur Lage und zum Team passe. Was das Problem ist, kann Allofs in zwei Sätzen auf den Punkt bringen –„Wir funktionieren als Mannschaft nicht. Und jeder einzelne bleibt unter seinen Möglichkeiten“ –, nicht aber das Warum: „Ganz erklären kann man das nicht.“
Allofs holte Ismael einst als Profi zu Werder Bremen und positionierte ihn beim VfL als Trainer mit Zukunft. Ismaels professionelle Außendarstellung ist eindeutig Allofs-Schule. Alles hänge an der ständig länger werdenden Verletztenliste: Dadurch fehlten Qualität, Spannung im Training und die Möglichkeit, per qualifizierter Einwechslung Einfluss zu nehmen. So konnte er zwar den potentiellen Hochqualitätsspieler Julian Draxler wegen Unsichtbarkeit auswechseln – aber mehr als ein Statement war das nicht.
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