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Kommunikationstrainerin über #MeToo„Übergriffe nicht dulden“

Wann ist eine Anmache ein Übergriff, und wie kann man unterstützend tätig werden? Fragen an Pia Kuchenmüller von „frauenhorizonte“ gegen sexuelle Gewalt.

Ist eine Situation unübersichtlich, z.B. auf einer Party (hier: Semperoper), sollte das mögliche Opfer gefragt werden Foto: dpa
Interview von Dominik Koos

taz: Frau Kuchenmüller, lässt sich ein sexueller Übergriff als Außenstehender überhaupt erkennen?

Pia Kuchenmüller: Klar ist: Nein heißt Nein. Spätestens, nachdem Zurückweisung signalisiert wird, egal ob verbal als Nein oder durch eine abweisende Handbewegung, ist das Verhalten als Übergriff zu werten. Das ist durch die Reform des § 177 StGB auch rechtlich geklärt. Aber nicht jeder Übergriff ist für Außenstehende eindeutig als solcher zu erkennen. Ist eine Situation unübersichtlich, sollte das mögliche Opfer gefragt werden.

Wie kann ein Außenstehender in so einem Fall eingreifen?

In einer übergriffigen Situation sollte die Aufmerksamkeit dem Opfer und nicht dem Täter geschenkt werden. Ratsam ist, den Moment zu entschleunigen. Beispielsweise kann ein Glas Wasser oder ein Gespräch angeboten werden, um der Betroffenen einen Ausweg zu bieten. Sollte die Betroffene keine Hilfe wünschen, wird sie das sagen. Im Vordergrund steht, was die Betroffene will. Möchte sie den Abend weiter genießen oder braucht sie Unterstützung, die Situation zu verlassen?

Was kann man tun, wenn man selbst Angst vor dem Täter hat?

In der Situation gilt, dass die eigene Sicherheit vorgeht. Wenn man sich nicht in der Lage sieht selbst einzugreifen, weil man beispielsweise alleine ist, ist das kein Grund untätig zu bleiben. Entweder man spricht gezielt Passanten an oder ruft beispielsweise ein Taxi – notfalls auch die Polizei. Häufig lassen sich Situationen entschärfen, indem man Unterstützung bei Tresenkräften oder Türstehenden sucht.

Bild: privat
Im Interview: Pia Kuchenmüller

Referentin für Öffentlichkeitsarbeit bei der Anlauf- und Fachberatungsstelle Frauenhorizonte - Gegen sexuelle Gewalt e.V. in Freiburg.

Und nach einer solchen Situation: Wie können Freunde oder Bekannte unterstützt werden, die einen Übergriff bekannt gemacht haben?

Zunächst sollte jeder Frau, die einen Übergriff bekannt macht, Anerkennung ausgesprochen werden. Über Grenzüberschreitungen zu sprechen ist immer ein große Überwindung. Das Schweigen ist die größte Macht der Täter. Je mehr Leute reden, desto weniger wird sexuelle Gewalt geduldet. Ob die Betroffene mit Ihnen reden will, eventuell weitere Schritte unternehmen möchte, muss sie selbst entscheiden. In jedem Fall hilft es, Unterstützung anzubieten.

Und wie geht man im Nachhinein mit Tätern um?

Schwierig ist der Umgang mit einem Täter aus dem sozialen Umfeld. Denn Angriffe von völlig Fremden sind eher selten. Warscheinlicher ist ein Täter aus dem Bekanntenkreis, aus dem Arbeitsumfeld, von der Uni oder vom Feiern. Erfährt man von einem Übergriff innerhalb des näheren Bekanntenkreises, sollte klar gemacht werden: So ein Verhalten tolerieren wir nicht.

Dass die Betroffene sich aus einem gemeinsamen Bekanntenkreis zurückzieht während der Täter sich nicht einschränken muss, wäre mehr als unschön. Eine deutlich artikulierte Positionierung zugunsten der Betroffenen ist daher wichtig. So signalisieren Sie,dass in Ihrem Umfeld absolut kein Platz ist für sexuelle Übergriffe und ziehen eine deutliche Grenze.

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6 Kommentare

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  • 8G
    88059 (Profil gelöscht)

    Entschuldigen Sie bitte, dass ich den Kommentar nicht im Umfang und mit der Präzision einer Doktorarbeit verfasst habe. ;-)

     

    Ich habe hier lediglich aus eigener Erfahrung ein Urteil gefällt, dass keinen Anspruch auf allgemeine Wahrhaftigkeit darstellt, genau das Gegenteil ist der Fall: als allgemein behauptete Regeln sollen relativiert werden, um das eigentliche Problem herauszuarbeiten.

     

    Da ich Sie ebenso wenig kenne, wie jede andere Frau, die ich noch nie getroffen habe, kann ich nur aus eigenen Erfahrungen Vorurteile konstruieren und diese auf Sie und Unbekannte projizieren (einfache Psychologie).

     

    Und wenn nun meine Erfahrung mir sagt, die Frau sei diejenige Kraft, die stets verneint, das Eine sagt und das Andere meint, dann ist des Pudels Kern, dass Nein eben doch nicht immer Nein heißt und dass ich ganz nebenbei schnell mal ne Anspielung auf Faust unterbringen wollte. Anders als viele Frauen haben Männer im Laufe ihres Lebens nämlich mit einer ganzen Reihe Frauen "romantischen" Kontakt. Und wenn bei der einen Hälfte "Hü" immer wieder "Hott" heißt, ist es quasi vorprogrammiert, dass die andere Hälfte, die mit "Nein" wirklich "Nein" meint, zumindest gelegentlich falsch verstanden wird, ohne das jemand im Sinn hatte, "Regeln zu übertreten".

    Die Hälfte ist dabei wieder eine grausame Vereinfachung, die rein syntaktisch bedingt ist. ;-)

     

    Darüber hinaus ist sexuelle Belästigung weniger ein Männerproblem, als das dieser Tage behauptet wird. Denn, und das ist reine Semantik, Männer haben offensichtlich kein Problem damit, Frauen zu belästigen - ein Frauenproblem ist es aber ebenso wenig.

     

    Am Ende steht nämlich immer die Erkenntnis, egal wer wen belästigt hat: Es ist ein Machtproblem. In einer weniger patriarchal geprägten Gesellschaft wäre das ein No-Brainer, in unserer drängt sich die falsche Verknüpfung fast auf.

     

    Hoffe, ich konnte meinen Punkt ein wenig verständlicher machen.

  • Das ist neh schöne These, mit dem nein heißt nein. Dazu mal ein Beispiel aus meinem Leben, meinen Großeltern gehört eine Bar und ich war während dem Studium da oft eine besagte Tresenkraft. Fall war bei einer Firmenfeier, der Typ Mitte 30 saß schon zwei Stunden an der Bar und soff. Da kam eine Dame etwa Ende 20 an den Tresen und bestellte einen Kaffee. Der Typ spricht sie an, Antwort hör auf zu saufen, dann reden wir, er fasste sie mit einer Hand an der Schulter und mit der Anderen am Po an, sie reißt sich los. Da mischte ich mich ein, ihr Kaffee sei fertig und ob der Herr nicht mal an die frische Luft wolle. Sie ja das sei wohl daß Beste und Sie würde mitkommen. Er hatte schon Probleme um überhaupt vom Hocker zu kommen und ich bot ihm an, ihn zu stützen. Der Weg zur Tür ist nicht weit, maximal 10 Meter und ich merkte schon, das könnte Stress geben. Im Foyer holte er auf einmal aus und wollte einen Schwinger Richtung meinem Gesicht landen. Ich beugte mich leicht nach hinten und trat ihm die Beine weg. Ich beugte mich zu ihm runter, sagte es hat niemand was gesehen und er solle hier verschwinden und setzte ihn draußen in ein Taxi, die Frau war verschwunden. Am nächsten Tag war die Polizei bei uns im Laden, es wäre ein Gast angegriffen worden und es gebe eine Zeugin. Wie ich später erfuhr war besagte Dame die Verlobte des Herren und der zeigte mich wegen Körperverletzung an und sie bezeugte seine Geschichte. Ich war nie ein Freund von Kameras, aber dass der gesamte Laden überwacht wird, stellte sich da als Glücksfall heraus, denn ich nahm das entsprechende Band direkt zur Wache mit, musste dann noch zwei mal da erscheinen und die Sache war für mich erledigt. Natürlich ist das Verhältnis bei den Fällen in denen man jemandem geholfen hat und sich der Andere bedankt hoch positiv, aber die 4, 5 Fälle die negativ liefen, waren alle mit Frauen und deren Freunden und die Frauen hielten hinterher zu ihrem Partner und das hat man bei einer neuen Situation im Hinterkopf.

  • Ich habe einen Sohn und 2 Töchter. Da ist die Vorstellung, dass irgend ein Typ sie dumm anmacht oder gar antatscht unerträglich. Und ja es ist gut dieses immer wieder zu thematisieren, damit keiner auf die Idee kommt das wäre ein Kavaliersdelikt. Es ist Teil unserer gesellschaftlichen Ethik Schwächere zu schützen.

  • 8G
    88059 (Profil gelöscht)

    Das Problem, das "Nein heißt Nein" überhaupt zur Debatte steht, ist, das Frauen nicht dazu erzogen werden, direkt zu sagen, was sie wollen. "Nein" ist eben viel zu oft doch nur die Aufforderung, es in ein "Ja" zu verwandeln. Und dann ist frau beleidigt, wenn mann es beim "Nein" belässt.

    Bevor man also den Männern beibringen kann, dass "Nein" auch "Nein" heißt, muss man es erstmal den Frauen beibringen...

    • @88059 (Profil gelöscht):

      Dass Problem ist, dass es immer noch heißt "Frauen sind so" und "Männer sind so". Ich bin eine Frau. Ich habe noch nie nein gesagt und ja gemeint. Ich habe dafür schon nein gebrüllt und es wurde als ja interpretiert.

    • @88059 (Profil gelöscht):

      Hahahaha, prima. So isses.