Kommunalwahlen in Frankreich: Grüne auf dem Vormarsch

Bei den Kommunalwahlen in Frankreich verliert die Partei von Präsident Macron. Grüne siegen vielerorts, die Sozialisten schaffen ein Comeback.

Umringt von anderen winkt Anne Hidalgo in Richtung des Fotografen

In Paris mit grüner Hilfe wiedergewählt: die sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo Foto: ap

PARIS taz | Lyon, Bordeaux, Straßburg, Tours, Annecy, Poitiers, Besançon… Yannick Jadot, der Grünen-Parteichef von „Europe-Ecologie-Les Verts“ (EELV), staunte am Sonntagabend mit offenem Mund, als nach 20 Uhr im Fernsehstudio die Hochrechnungen allüberall Gewinne seiner Listen beim zweiten Durchgang der Kommunalwahlen in Frankreich vermeldeten.

Aufgrund der Ergebnisse des ersten Wahlgangs am 15. März hatte EELV vor allem dort, wo die Listen mit verschiedenen Parteien der Linken verbündet waren, mit spektakulären Gewinnen rechnen können. Jetzt hat der grüne Vormarsch in den größeren Städten Jadots Erwartungen übertroffen.

Eine historische Wende zeichnet sich auch in Marseille ab, wo eine linke Wahlunion mit der Umweltschützerin Michèle Rubirola an der Spitze rund zehn Prozentpunkte vor ihrer konservativen Gegnerin Martine Vassal liegt. Noch war aber nicht klar, ob das Ergebnis der nach Sektoren organisierten Wahl reicht, damit Rubirola die Stadtregierung übernehmen kann.

In der Hauptstadt Paris haben die Grünen als Koalitionspartner der Sozialisten (PS) maßgeblich zur Wiederwahl der bisherigen Bürgermeisterin Anne Hidalgo von der PS beigetragen. Diese distanziert mit fast 50 Prozent der Stimmen die frühere Justizministerin Rachida Dati (32 Prozent) von der konservativen Partei „Les Républicains“ (LR) und die vormalige Gesundheitsministerin Agnès Buzyn von Emmanuel Macrons „La République en marche“ (LREM), die mit rund 14 Prozent weit abgeschlagen liegt.

Bündnis mit bürgerlicher Rechten hilft Macron nicht

Die Sozialisten, die noch unlängst um ihr politisches Überleben bangten, haben sich in der Finalrunde der Stichwahlen auch in Lille (dort gegen die Grünen!), in Nantes, Rouen und Rennes behaupten können und zudem Nancy und Montpellier hinzugewonnen. Von rechten Bürgermeistern regiert werden dagegen weiterhin Nizza, Limoges und Toulouse.

Wie in Paris verzeichnet die LREM bei diesen Kommunalwahlen landesweit einen schweren Rückschlag. Der einzige Lichtblick für LREM war an diesem Wahlsonntag voller Enttäuschungen der klare Sieg von Premierminister Edouard Philippe in der Hafenstadt Le Havre gegen eine Liste der Kommunisten. Er hat vorerst noch nicht gesagt, ob er das Amt antreten wird oder es an seinen Vize abgibt, um Regierungschef zu bleiben. Laut Umfragen wünschte eine Mehrheit von Macron, dass im Fall einer Regierungsumbildung der populäre Philippe Premier bleibt.

In Lyon, Bordeaux und Straßburg hatte sich LREM mit der bürgerlichen Rechten verbündet, doch auch dies vermochte die grün-rote Offensive nicht zu verhindern. Diese ist bestimmt zum Teil auf eine breite Unzufriedenheit mit der Covid-19-Politik der Regierung zurückzuführen.

Bisher stellten die Grünen nur in Grenoble mit (dem nun wiedergewählten) Eric Piolle den Bürgermeister. Mit Grégory Doucet in Lyon, Pierre Hurmic in Bordeaux oder auch Jeanne Barseghian in Straßburg rücken andere, der Öffentlichkeit weitgehend unbekannte PolitikerInnen in den Vordergrund.

In Perpignan an der Grenze zu Katalonien gelang es dagegen dem Rechtsextremisten Louis Aliot vom Rassemblement national an der Spitze einer Liste ohne Parteibezeichnung, die Wahl für sich zu entscheiden. Erstmals regiert damit ein Politiker der Partei von Marine Le Pen in einer großen Stadt mit mehr als 100.000 EinwohnerInnen.

Die zweite Runde der französischen Kommunalwahlen sollte ursprünglich am 22. März stattfinden, eine Woche nach dem ersten Wahlgang. Wegen der Coronavirus-Epidemie musste sie verschoben werden. Drei Monate später blieb die Wahlbeteiligung allerdings mit nur 41 Prozent so niedrig wie seit 1958 nicht mehr. Dabei waren alle denkbaren Vorsichtsmaßnahmen getroffen worden: Desinfektionsgel und Schutzmasken für die Wählenden, Schutz mit Plexiglas für die ebenfalls maskierten Mitglieder der Wahlbüros und Plakate mit Appellen, den Sicherheitsabstand zu wahren.

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