Kommunalwahl in sieben Bundesländern: Rote und grüne Überraschungen
Während die Grünen in Stuttgart stärkste Kraft werden könnten, erreichen die Linken im Saarland ein zweistelliges Ergebnis. Mancherorts geht kaum jemand wählen. Die Trends der sieben Länder.
Saarland
Ergebnis: CDU 36,4 Prozent, SPD 34, Linke 12,6, FDP 6,9, Grüne 5,8
Trends: Zwar bleibt die CDU im kleinsten Flächenland auch kommunal stärkste Kraft, musste aber deutlich Federn lassen. Davon profitierte wenige Wochen vor der Landtagswahl Ende August nicht die SPD, sondern vor allem - vielerorts mit zweitstelligen Ergebnissen - Die Linke. Der saarländische Regierungschef Peter Müller (CDU) war nicht erfreut über den Erfolg seines Amtsvorgängers Oskar Lafontaine. Der dafür umso mehr. In den letzten Wochen hatte er, auch wegen parteiinterner Querelen, immer wieder vor zu viel Optimismus gewarnt und sah jetzt seine "Erwartungen übertroffen".
Bemerkenswert: In Saarbrücken wäre schon jetzt rein rechnerisch eine rot-rot-grüne Stadtregierung möglich.
Thüringen
Ergebnis: Sonstige (v. a. Wählervereinigungen) 37,2 Prozent, CDU 27,8, SPD 14,2, Linke 13,9
Trends: In Thüringen konnten freie Wählervereinigungen die CDU als bislang führende kommunale Kraft deutlich überflügeln. Rund jeder Dritte gab ihnen vor allem im ländlichen Raum seine Stimme, während die CDU landesweit nur auf knapp 28 Prozent kam. Deren Hochburg bleibt das katholische Eichsfeld, die Heimat von Ministerpräsident Dieter Althaus. Althaus sprach dennoch von "Rückenwind" für die Landtagswahl Ende August. SPD und Linke liegen fast gleichauf mit Ergebnissen um die 14 Prozent, wobei die SPD mit 33 Prozent deutlich stärkste Kraft in Erfurt wurde.
Bemerkenswert: Erstmals entfiel bei einer Thüringer Kommunalwahl die Fünfprozenthürde. Die NPD konnte so landesweit 20 Mandate erzielen.
Sachsen
Ergebnis: CDU 32,7 Prozent, Linke 15,4, SPD 10,9, FDP 8,3, Grüne 5,0, NPD 2,3, Wählerver. 24,5
Trends: CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer zeigte sich nicht besonders erbaut vom "ordentlichen" Ergebnis seiner Partei, obschon sie wieder stärkste kommunale Kraft wurde. Im Dresdner Rathaus gelang es ihr beispielsweise nicht, mit der FDP eine Mehrheit zu bilden. Freie Wähler holten in Sachsen zwar die Mehrheit aller Mandate, aber nur 24,5 Prozent der Stimmen. Die Linke behauptete sich landesweit als zweitstärkste Kraft, die SPD landete nahe beim deprimierenden Landtagswahlergebnis von 2004. Die Grünen erzielen in Leipzig und Dresden gute Ergebnisse um 15 Prozent.
Bemerkenswert: Die FDP erzielte in Deutschneudorf, wo nach dem verschollenen Bernsteinzimmer gesucht wird, 100 Prozent.
Mecklenburg-Vorpommern
Ergebnis: CDU 31,8 Prozent, Linke 21,6, SPD 19,3, FDP 8,7, Grüne 5,0, NPD 3,2
Trends: Die CDU hat gegenüber 2004 deutlich um 7 Prozentpunkte verloren, bleibt aber stärkste Partei. Die rechtsextreme NPD konnte insgesamt 3,2 Prozent der Stimmen gewinnen (2004: 0,8 Prozent) und zog nicht nur in den wirtschaftsschwachen ländlichen Regionen, sondern auch in den Städten Schwerin, Rostock und Stralsund in die Parlamente ein. Insgesamt liegt die NPD aber dennoch deutlich unter den 7 Prozent Stimmenanteil, die sie bei der Landtagswahl 2006 in Mecklenburg-Vorpommern bekommen hat.
Bemerkenswert: Die Wahlbeteiligung lag mit 46,6 Prozent etwas höher als vor fünf Jahren.
Sachsen-Anhalt
Ergebnis: Ein landesweites Ergebnis der Kommunalwahl lag am Montag noch nicht vor.
Trends: In Sachsen-Anhalt behauptete die Union ihre führende Stellung in den Kommunen. In mehreren wichtigen Mittelzentren wie Stendal, Halberstadt, Quedlinburg, Wittenberg, Naumburg, Weißenfels oder Sangerhausen liegt sie mit mehr oder weniger deutlichem Vorsprung vorn. In Halle führt die CDU mit 24,7 Prozent nur äußerst knapp vor der Linken. In der Landeshauptstadt Magdeburg wird die SPD mit 23,9 Prozent dank leichter Gewinne ebenso knapp stärkste Kraft vor der Linken und der CDU. Die rechtsextreme NPD stellt in mehreren größeren Städten lediglich einen Stadtrat.
Bemerkenswert: Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) und Innenminister Holger Hövelmann (SPD) äußerten sich besorgt über die sehr geringe Wahlbeteiligung von unter 40 Prozent.
Rheinland-Pfalz
Ergebnis: CDU 38,3 Prozent, SPD 30,5, FDP 8,9, Grüne 6,5 (vorläufiges Endergebnis)
Trends: Die CDU verlor fast 7 Prozentpunkte, die Sozialdemokraten legten leicht zu. Drittstärkste Kraft bleiben die Wählergruppen, FDP und Linke gewannen dazu. Die Grünen, die landesweit allerdings leicht verloren, erreichten in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz ein Sensationsergebnis. Dort werden sie im Stadtrat künftig mit 22,3 Prozent vertreten sein. Der Mainzer SPD-Bürgermeister Jens Beutel nannte das Wahlergebnis "eine schmerzliche Schlappe".
Bemerkenswert: Die Linkspartei wird mit 3 Prozent erstmals ins Mainzer Rathaus einziehen.
Baden-Württemberg
Ergebnis: Das vorläufige landesweite Endergebnis soll wegen des komplizierten Wahlsystems frühestens am Mittwoch vorliegen.
Trends: In Baden-Württemberg kam es in mehreren Städten zu Überraschungen. In Mannheim konnte die SPD erstmals seit zehn Jahren ihre einstige Hochburg wieder zurückgewinnen, die CDU verlor in der zweitgrößten Stadt des Landes 8,4 Prozentpunkte. In Stuttgart haben die Grünen laut einer SWR-Prognose mit hauchdünnem Vorsprung vor der CDU die Gemeinderatswahl gewonnen. In der drittgrößten Stadt, Karlsruhe, verloren die großen Parteien, und die Grünen kamen auf 19 Prozent. Stärkste Partei bleibt dort aber die CDU.
Bemerkenswert: Eine Kommunalwahl könnte eines der größten Infrastrukturprojekte der nächsten Jahre kippen: das Bahnprojekt "Stuttgart 21". (MIBA, HP, WOS)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben