Kommunalwahl in Ungarn: Denkzettel für Orbán
Bei der Kommunalwahl muss die Regierungspartei Fidesz seit langem wieder Verluste einstecken. Grund sind Korruptionsskandale – und ein Sexvideo.
Die Hauptstadt wird nach neun Jahren wieder vom linken Block regiert. Oberbürgermeister wird mit 51 Prozent der Stimmen Gergely Karácsony von der grünliberalen Kleinpartei Párbeszéd mit breiter Unterstützung der Linksparteien. Er besiegte Orbáns Mann für Budapest, den bisherigen Bügermeister István Tarlós, der noch am Wahlabend gratulierte.
Die Niederlage von Fidesz in Budapest wird in den Bezirken der Stadt noch deutlicher. 2014 gewann die Partei 17 der 23 Bezirke, davon verloren sie jetzt neun. Der Senat der Hauptstadt wird damit auch von der Allianz der Linksparteien dominiert.
Für Orbán ist dies ein herber Schlag, denn er versucht sich in Budapest mit Großprojekten zu verewigen, die jetzt plötzlich auch von der Opposition abgesegnet werden müssen. Karácsony hat schon versprochen, die umstrittene Bebauung des Stadtparks zu stoppen. Konflikte sind auch in der Burg von Budapest vorprogrammiert, wo Orbán sich eine neue Regierungszentrale bauen lässt.
Skandale und Korruption in Győr
Und es kommt für Fidesz noch dicker. Die Partei verlor auch außerhalb der Hauptstadt wichtige Bürgermeisterposten. Es gibt in Ungarn insgesamt 23 Städte mit Komitatsrecht – diese sind also höher gestellt als andere Gemeinden. Die Opposition stellte bisher nur drei Bürgermeister und auch die wollte Fidesz unbedingt besiegen. Es kam umgekehrt.
Die Allianz aus Linken und der milder gewordenen rechtsradikalen Partei Jobbik gewann insgesamt zehn Städte. Darunter sind die florierende Stadt Szombathely in Westungarn sowie die abgehängten Städte Miskolc im Osten und Pécs im Süden.
Ein Grund, der zu den überraschenden Ergebnissen geführt haben könnte, dürfte ein Video sein, das eine Woche vor den Wahlen an die Öffentlichkeit gelangte. Die Aufnahme zeigt den verheirateten Bürgermeister der westungarischen Stadt Győr, Zsolt Borkai, wie er sich auf einer Yacht in der Adria mit Prostituierten vergnügt. Schon zuvor war der Fidesz-Mann in Korruptionsfälle verwickelt, etwa rund um die Erweiterung des Audi-Werkes in Győr. Borkais Mittelsmänner hätten Grundstücke aufgekauft, die dann überteuert an die deutsche Firma weitergeleitet wurden.
Die Wähler von Győr ließen aber ausgerechnet Borkai im Amt, der zwar 17 Prozentpunkte gegenüber 2014 verlor, die Stadt aber weiter regieren darf. Abgestraft wurden andere. Fidesz wurde in den letzten Jahren nicht nur zunehmend korrupt, sondern auch immer arroganter. Jetzt verpassten die Ungarn Orbán einen Denkzettel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel