Kommunalpolitiker auf Instagram: Memes made in Hannover
In Hannover bearbeiten sich die Ratsfraktionen von CDU und Grünen gegenseitig mit Memes. Jetzt ist die Frage: Ist auch noch ein Erwachsener im Raum?
![Hamburgs Oberbürgermeister Peter Tschentscher hält ein aufgeklapptes Smartphone in seinen Händen. Hamburgs Oberbürgermeister Peter Tschentscher hält ein aufgeklapptes Smartphone in seinen Händen.](https://taz.de/picture/7276176/14/216290452-1.jpeg)
D as ist schon ein bemerkenswerter Vorgang: Der CDU-Ratsfraktion in Hannover ist ausnahmsweise ein Meme gelungen. Also mit Absicht, nicht aus Versehen.
Für die Älteren unter uns: Ein Meme ist so ein Foto oder Videoschnipsel, das in sozialen Netzwerken kursiert. Meist nimmt man damit bekannte Persönlichkeiten hoch, man nimmt eine bekannte Szene und versieht sie mit einem neuen Kontext, in dem man sie irgendwo reinmontiert, mit satirischen Sprüchen versieht oder Musik darunterlegt.
Das ist diese spezielle Art von Internethumor, sehr kreativ, oft lustig, öfter auch gemein und/oder außerhalb des eigenen Rudels kaum verständlich, weil so viele Anspielungen drinstecken.
Politiker werden da eigentlich eher zur Zielscheibe als zum Schöpfer – die CDU sowieso. Sie wissen schon: ein auf die Tanzfläche tapsender Merz, ein im falschen Moment feixender Laschet – alles Meme-Material.
Der Wert eines Memes misst sich aber auch daran, wie viele es aufgreifen, abwandeln, weiterverbreiten. Insofern muss man jetzt einmal neidlos anerkennen: Im ganz kleinen, also hannöverschen Maßstab ist das der CDU-Fraktion ja schon gelungen.
Die wollte nämlich kritisieren, dass grüne Kommunalpolitiker kurzfristig doch nicht mehr über das Innenstadtkonzept der Deutschlandfraktion diskutieren wollten.
Also schrieb man etwas von „Die Grünen benehmen sich wie bockige Kinder“ und packte ein niedliches KI-generiertes Comic-Bengelchen mit verschränkten Armen, vorgeschobener Unterlippe und grünem Pulli mit Sonnenblume dazu.
Das konnte wiederum die Grüne Ratsfraktion nicht auf sich sitzenlassen. Sie setzte ein halbes Dutzend weiterer bockiger Kinder in die Social-Media-Welt, verbunden mit Hinweisen darauf, warum es aus ihrer Sicht gute Gründe gibt bockig zu sein – zu viele Autos in der Innenstadt zum Beispiel.
Dieses sich gegenseitig beharken in den sozialen Netzwerken wurde wiederum von lokalen und regionalen Medien dankbar aufgegriffen, zuallererst von der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Und fertig ist der Wie-generiere-ich-Aufmerksamkeit-Schweinezyklus.
Die Weihnachtspullis kriegen nicht so viele Klicks
Das wirkt natürlich angesichts der Entwicklungen der vergangenen Woche gleich doppelt komisch oder auch prophetisch. Immerhin kommen den Grünen ja anscheinend gleich eine ganze Reihe von bockigen Kindern abhanden – erst als Wahlvolk im Osten und nun in den eigenen Jugendorganisationen. Aber das ist vielleicht ein anderes Thema.
Angesichts der lustigen Meme-Produktion ist die Versuchung natürlich groß, sich jetzt als einziger Erwachsener im Raum aufzuspielen. Da wird dann schnell mit Worthülsen um sich geworfen wie „Haben die nichts Wichtigeres zu tun?“ oder „Wie kindisch ist das denn?“. Aber das ist natürlich auch ein bisschen billig und blendet vor allem die eigene Rolle komplett aus.
Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass die Bürgersprechstunde des Oberbürgermeisters auf Instagram so viel Diskussionen oder Kommentare provoziert hätte, in der er – zusammen mit dem Kämmerer Axel von der Ohe – den städtischen Haushalt erörtert hat.
Nicht einmal seine jährlichen Weihnachtsgrußvideos, in denen er immerhin seinen sonst so seriösen Business-Look kurzzeitig gegen hinreißend geschmacklose, bunte Motivpullis tauscht, erzielen so viele Klicks.
Letztlich sind wir halt doch alle gleich, Bürger wie Politiker, Medienmacher wie Mediennutzer: Wir finden es einfacher, uns über Quatsch aufzuregen, als uns andauernd mit den wirklich schwierigen und komplexen Themen zu beschäftigen.
Erwachsen ist vermutlich, wer begreift, was er da tut – und von anderen nicht mehr erwartet, als er selbst zu liefern bereit ist. Und wer am Ende doch wieder seufzend an die Arbeit geht. Mal sehen, wer damit den Anfang macht.
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