Kommentar: Grandios versemmelt
Die Medienkritik
von
PASCAL BEUCKER
Es hätte eine Sternstunde für RTL werden können. Nachdem ARD-Mann Sigmund Gottlieb für seine schleimig-schmierige Befragung Recep Tayyip Erdoğans verdientermaßen Häme und Spott kassiert hatte, hätte es für den Kölner Privatsender kaum eine bessere Chance geben können, um zu zeigen, es besser zu können als das Öffentlich-Rechtliche – zumal dem türkischen Präsidenten diesmal mit RTL-Chefkorrespondentin Antonia Rados eine ausgezeichnete Journalistin gegenübersaß. Doch RTL hat es grandios versemmelt. Denn der Umgang der Programmverantwortlichen mit dem in Erdoğans Präsidentenpalast aufgezeichneten Interview kommt einem journalistischen Offenbarungseid nahe – und ist eine Frechheit gegenüber Rados. Anstatt, wie die ARD, das Interview in voller Länge zur besten Sendezeit auszustrahlen, beschränkte sich RTL auf ein „Nachtjournal Spezial“ um 0.20 Uhr in der Nacht auf Samstag. Doch auch das dauerte nur knapp 12 Minuten – wohl, weil ein längeres Warten auf den nach hinten gerückten Mario Barth seinen Fans nicht zugemutet werden sollte.
Die Konsequenz: Es wirkte, als hätte Rados nur als Stichwortgeberin fungiert. Was allerdings nicht stimmt – wie sich zeigt, wenn man das Interview in voller Länge ansieht. Um diese 40-Minuten-Fassung inklusive der kritischen Fragen und Nachfragen von Rados sehen zu können, musste man allerdings bis Samstagabend um 18 Uhrwarten und auf den quotenarmen Nachrichtenkanal n-tv zappen.
Die Quintessenz aus den beiden Interviews, die Erdoğan nach dem gescheiterten Putschversuch dem deutschen Fernsehen gewährt hat: Zwar ist Gottlieb ein mieser Journalist, aber dafür ist RTL ist ein lausiger Sender.
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