Kommentar: Zwei Wege aus der Krise
Sollte die Machtfrage weiter offen bleiben, wird die Gewalt zwischen Hamas und Fatah auch das Westjordanland erreichen. Es gibt zwei Möglichkeiten, die Krise zu beenden.
D ie Hamas erobert den Gaza-Streifen und holt sich mit militärischer Macht, was ihr politisch zusteht. "Sie planen einen Staatsstreich", jammerte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und umriss damit das Problem: Die Hamas hat die Wahlen gewonnen, nur Abbas und seine Genossen von der Fatah wollen das eineinhalb Jahre danach noch immer nicht wahrhaben. Abbas plante, die Entscheidung des Volks zu ignorieren und die palästinensischen Geschäfte weiterzuführen, als hätten nie Wahlen stattgefunden.
Susanne Knaul (46) ist Nahost-Korrespondentin der taz in Jerusalem. Sie lebt seit 1989 in der Region und arbeitet seit 1999 für die taz.
Mit dem Boykott der Hamas bekam er politische Rückendeckung von der internationalen Gemeinschaft, die auf den moderaten Präsidenten und PLO-Chef setzte. Die USA schickten gar konkrete Finanzhilfe, um die Fatah-nahen Sicherheitstruppen zu trainieren und zu bewaffnen. Die Vorstellung, dass sich die moderaten Palästinenser doch noch durchsetzen könnten, ist nun Vergangenheit. Wie immer blieb Abbas im innerpalästinensischen Machtkampf zu unentschlossen.
Solange die Kompetenzen in den Palästinensergebieten ungeklärt sind, kann dort keine Ruhe einkehren. Die Fatah hatte ihre Chance, die illegalen Waffen zu konfiszieren und die Sicherheitseinheiten unter ein Kommando zu stellen. Sie ist gescheitert. Wer weiß, ob die Hamas die Mission nicht besser erfüllen wird. Sicher ist hingegen, dass die Gewalt früher oder später auch das Westjordanland erreichen wird, sollte die Machtfrage dort weiter offenbleiben. Zwei Auswege gibt es nun aus der gegenwärtigen Krise: Entweder bleiben die Amerikaner hartnäckig bei ihrer Strategie, die guten Araber zu stützen und die Bösen zu schwächen. Dann werden sie nicht nur Geld, sondern auch eigene Truppen in den Gaza-Streifen schicken. Das wäre zumindest konsequent.
Oder die Fatah und die internationale Gemeinschaft lassen der Hamas die Macht, ihr politisches Mandat umzusetzen. Schließlich strebten auch die moderaten Palästinenser und sogar die Israelis nach einer zentralisierten palästinensischen Sicherheitsmacht. Zwar ließ sich kaum jemand träumen, dass sie von der Hamas kommandiert werden würde. Einen Versuch ist es dennoch wert, um dem Bürgerkrieg ein Ende zu machen.
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