Kommentar: Von Schäuble lernen

Während die CDU munter über Schwarz-Grün spekuliert, lehnt die SPD Rot-Rot kategorisch ab. Eine seltsame Schieflage.

Wolfgang Schäuble bringt Schwarz-Grün ins Gespräch, Edmund Stoiber ist dagegen, Merkel beendet die ganze Debatte - fürs Erste. Klaus Wowereit hält Rot-Rot für eine Möglichkeit, Kurt Beck überhaupt nicht. Es ist nicht leicht zu entscheiden, ob diese Debatten nur knalliger Pausenfüller im öden Alltagsgeschäft der großen Koalition sind oder ob hier die neue Architektur des Fünfparteiensystems ausgehandelt wird.

Klar ist: Das Spiel "Wer mit wem" wird weitergehen, auch Merkel wird es nur kurzfristig unterbinden können. Denn Union und SPD haben demonstrativ keine Lust mehr auf die große Koalition. Bleibt das so, wird Deutschland in zwei Jahren wohl von einem Dreierbündnis regiert.

In dem Spiel "Wer mit wem" geht es mehr um Selbstinszenierungen und diskursive Vorteile, weniger darum, wirklich politische Spielräume auszuloten. Wie man dieses Spiel inszeniert, hat lehrbuchhaft Wolfgang Schäuble vorgeführt. Er lobt die Entwicklung der Grünen von der Protest- zur Etabliertenpartei und spielt mit der Fantasie, dass Schwarz-Grün das letzte Kapitel im deutschen Generationsroman wäre, die endgültige, symbolische Aussöhnung der früheren Rebellen mit der Republik. Schäuble selbst wirkt mit diesem Angebot weltoffen, interessant, geistig beweglich - nicht wie ein monotoner Law-and-Order-Politiker.

Realpolitisch bedeutet Schäubles Idee hingegen wenig. Die CDU beschließt gerade ein Grundsatzprogramm, in dem sie längere Laufzeiten für AKWs fordert, was auch konservative Grüne nicht amüsiert. Die Bündnisgrünen wären irre, wenn sie sich - ohne Schwarz-Grün je auf Länderebene ausprobiert zu haben - auf Bundesebene zum Mehrheitsbeschaffer für Union und FDP machen würden.

So gibt es in diesen Debatten eine seltsame Schieflage. Über Schwarz-Grün wird munter im luftleeren Raum debattiert - Rot-Rot hingegen wollen Beck und Struck am liebsten unter Tabu stellen, obwohl Rot-Rot im Osten erfolgreich erprobt wurde. Die SPD kann von Schäuble einiges lernen - nämlich wie man die Regeln dieser Spiels handhabt, flexibel, offen und überraschend wirkt, ohne Verbindliches zu sagen. Denn dieses Stück wird noch oft aufgeführt werden.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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