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KommentarGlücksspiel Börse

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Der irrationale Herdentrieb sorgt dafür, dass sich eine Prognose ganz gefahrlos wagen lässt: Der nächste Crash kommt bestimmt. Die Frage ist nur: wann?

K ündigt sich der nächste Crash an? Kaum sinken die DAX-Kurse, kehren die Erinnerungen an das Jahr 2000 zurück, als die Aktienwerte erst langsam fielen, um dann im Frühjahr 2001 rasant einzubrechen. Ist es jetzt wieder so weit?

taz

Ulrike Herrmann ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.

Jede Prognose ist gewagt an der Börse. Dort findet ein Glücksspiel statt, das nur so tut, als würde es ökonomischen Erkenntnissen folgen. Wenn sich die Banken jetzt misstrauisch fragen, ob sie ihre Kredite an die Private-Equity-Fonds je wiedersehen, so hätten sie diese Sorge genauso gut schon vor vier Wochen kultivieren können. Auch damals waren das Öl teuer, der Euro-Kurs hoch und die Immobilienkrise in den USA sattsam bekannt - aber damals setzten die Aktien-Indices gerade zu neuen Höhenflügen an. Die Börsen folgen einem irrationalen Herdentrieb. Dieser Gruppenzwang sorgt allerdings dafür, dass sich eine Prognose ganz gefahrlos wagen lässt: Irgendwann kommt es schon deswegen zum Crash, weil alle gleichzeitig in Panik geraten. Nur wann, das bleibt die Frage.

Beim letzten Crash hat der DAX zwei Drittel seines Wertes verloren. Das war extrem. Ob sich dieser Kursabsturz wiederholt, ist natürlich auch nicht vorher zu sagen. Aber es fällt auf, dass die heutige Börsenwelt mit dem Jahr 2000 nicht mehr wirklich zu vergleichen ist. So bläht sich diesmal keine Internetblase auf. Die Kurse werden nicht durch virtuelle Branchen und Erfindungen getrieben; stattdessen erregen jetzt neue Akteure die Börsenfantasie. Da sind zum einen erfolgreiche Schwellenländer wie China, die ihre Exportüberschüsse irgendwie investieren müssen. Und da sind zum anderen die Hedge- und Private-Equity-Fonds, die immer neue Rekordsummen einsammeln, um Firmen aufzukaufen.

Diese neuen Akteure - das ist der zweite Unterschied - stoßen auf ein neues Umfeld: Die Reallöhne der Arbeitnehmer sind in vielen Ländern jahrelang gesunken. Das gilt für die USA genauso wie für Europa. Das Wirtschaftswachstum kam allein den Unternehmern zugute. Die Gewinne sprudeln von selbst.

Man kann es auch so sagen: Wenn es nicht zum Crash kommt, dann liegt es letztlich daran, dass die Arbeitnehmer enteignet wurden.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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