Kommentar: Die Konzerne sahnen ab
Die Verteuerung von Milchprodukte ist Resultat eines Preisgerangels hinter den Kulissen: Die Molkereien proben den Aufstand gegen Aldi und Co. Der Bauer hat davon kaum was
B utter wird ab kommenden Mittwoch maximal um die Hälfte teurer, Quark um 40 Prozent und Milch um 10 Prozent, so die Vorhersage der deutschen Preisermittlungsorganisation ZMP. Recht so, meint der geübte Öko- und Regionaldenker. Wenn die Bauern endlich mehr Geld für ihre Produkte bekommen, müssen Tiere und Äcker nicht immer mehr von der industriellen Landwirtschaft ausgebeutet werden. Und landwirtschaftliche Produkte kosten heute ungefähr so viel wie in den 50er-Jahren, da kann oder muss der Verbraucher auch mal eine Erhöhung verkraften.
Reiner Metzger ist stellvertretender Chefredakteur der taz.
Das ist alles richtig, trifft aber den Kern dieser Meldung nicht. Viele Bauern haben in den vergangenen Monaten tatsächlich eine etwa 10-prozentige Erhöhung ihrer Milchpreise ausgehandelt. Doch der Rohstoffpreis macht bei Milch nur etwa die Hälfte des Endpreises aus - wären bei 10 Prozent mehr für den Landwirt also 5 Prozent an der Kasse. Wenn 50 Prozent mehr für Butter im Raum stehen, dann sahnt da jemand kräftig ab.
Diese Meldung ist sichtbarer Teil eines Preisgerangels hinter den Kulissen: Das verarbeitende Gewerbe - hier also die Molkereien - und der Handel wittern eine Chance, endlich die knappen Margen bei den Grundnahrungsmitteln zu erhöhen. Die meisten deutschen Molkereien sind selbst nach diversen Fusionen nicht annähernd so groß wie Einzelhändler à la Aldi oder Rewe. Aber manche haben inzwischen doch eine Größe, wo sie sich zumindest einmal trauen könnten, einen Aufstand zu proben. Und diese Größeren wollen sich mit steigenden Profiten für weitere Firmenkäufe rüsten.
Wie immer bei landwirtschaftlichen Produkten weltweit wird nur ein Teil der Preiserhöhungen bei den Erzeugern ankommen, denn große wirtschaftliche Einheiten (wie Konzerne) haben Vorteile in einer Marktwirtschaft. Die Verbraucher können sich schon mal auf weitere Preissteigerungen einstellen. Denn nicht nur bei den vielbeschworenen Chinesen, die nun angeblich auch die Milch dieser Welt verkonsumieren, steigt die Nachfrage. Sondern auch in Deutschland. Zwei Drittel der Milch werden hier im Lande verbraucht. Es wird also noch viele Anlässe für die Industrie geben, den Preis nach oben zu schrauben.
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