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KommentarErst der Stempel macht den Verrat

Kommentar von Christian Semler

Das Ermittlungsverfahren gegen die 17 Journalisten konnte nur in Gang kommen durch den "Geheim"-Aufdruck. Der wird allzu leicht gestempelt. In der Demokratie sollten Geheimnisse ein Ablaufdatum haben.

R egierungshandeln in der Demokratie muss sich vor aller Augen abspielen: Es bedarf der Transparenz als Legitimation; daher das viele Glas an zeitgenössischen öffentlichen Gebäuden. Früher war im Dienst des Staates fast alles geheim. Heute muss sich Geheimhaltung rechtfertigen - besonders, wenn das Geheimnis den Kern der Amtstätigkeit ausmacht Daher der stets ergebnislose Ruf nach demokratischer Kontrolle der "Dienste".

Diesem Ruf steht das ebenso insistente Verlangen der geheimen wie öffentlichen Staatsdiener entgegen, möglichst viele Fakten zur Verschlusssache zu erklären. Probates Mittel hierzu ist der rote Stempel, der Dokumente als "streng geheim", "geheim", "vertraulich" oder wenigstens "nur für den Dienstgebrauch" einstuft. Zwar werden die Beamten kraft Anweisung ermahnt, nicht leichtfertig mit dieser Einstufung umzugehen, denn je geheimer, desto höher die Geheimhaltungskosten. Ansonsten aber entscheidet der zuständige Einstufungsbeauftagte. Theoretisch ist im Gesetz die Aufhebung des Verschlusses möglich, de facto wird sie aber nicht gehandhabt.

Im jetzt laufenden Ermittlungsverfahren gegen 17 Journalisten wegen (nachträglicher) Beihilfe zum Geheimnisverrat sind die meisten der zu ihrer Kenntnis gelangten Akten als "geheim" klassifiziert, wenngleich nur mit niedriger Einstufung. Es soll sogar vorgekommen sein, dass leere Seiten den Geheimstempel trugen. Erst durch diesen Stempel wird der Straftatbestand des Geheimnisverrats begründet. Dieser Definitionsmacht hat der BND-Untersuchungsausschuss des Bundestages, aus dem die Akten entstammen, wenig entgegenzusetzen. Er könnte per Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht die Aufhabung der Klassifizierung als "geheim" beantragen. Aber bei jedem Dokument? Bei jeder Aussage?

Das Ermittlungsverfahren wird bestimmt im Justizgraben landen. Allzu offensichtlich dient es nur dazu, die Quelle aus dem Untersuchungsausschuss dingfest zu machen. Bleibt aber die Frage, wer bestimmt, was geheim ist und wie lange es geheim bleiben soll. Die Mindestforderung wäre, dass Dokumente nach einer bestimmten Laufzeit entklassifiziert werden sollten.

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