Kommentar: Nachdenklichkeit statt Hastigkeit

Der Bundestag soll am 9. November ein Denkmal für die deutsche Einheit beschließen. Schon zwei Jahre später soll es in Berlin stehen. Diese Eile kann dem Denkmal nicht gut tun.

Schon seit einer Weile klebt uns Deutschen das Image vom "Weltmeister des Erinnerns" an der Backe. Das kann man durchaus als Kompliment verstehen. Bedeutet doch die Auseinandersetzung mit der Geschichte nicht zwangsläufig, dass quälend und selbstzerstörerisch ein Gang nach Canossa angetreten werden muss. Aufklärung, Dokumentation, Dechiffrierung und Verantwortung lauten die Stichworte im Gedenk- und Erinnerungs-diskurs der jüngsten Vergangenheit. Dies sollte auch beim geplanten Freiheits- und Einheitsdenkmal so sein. Alle Zeichen bisher sprechen aber ein andere Sprache.

Zum 20. Jahrestag des Mauerfalls in zwei Jahren soll nach dem Willen der großen Koalition ein Denkmal in Berlin errichtet werden. Es soll an die friedliche Revolution im Herbst 1989 und an die Wiedergewinnung der staatlichen Einheit erinnern. Union und SPD haben bereits einen Antrag in den Bundestag eingebracht. Beide Fraktionen wünschen sich, dass das Parlament darüber am 9. November, dem Jahrestag des Mauerfalls, abstimmt. In dem Antrag wird die Bundesregierung beauftragt, zusammen mit dem Berliner Senat einen Ort vorzuschlagen. Laut Medienberichten wird über fünf Plätze in Mitte diskutiert, auf denen das Denkmal errichtet werden könnte: auf dem Pariser Platz oder dem Platz des 18. März, direkt vor dem Reichstag, auf dem Schlossplatz oder auf dem Leipziger Platz. Erste Kostenschätzungen beliefen sich auf 4 Millionen Euro.

Im Jubiläumsjahr 2009, also 20 Jahre nach dem Fall der Mauer, soll das Denkmal stehen. Wo, ist natürlich klar, nämlich in Berlin. Schon die Wahl des Ortes verrät, dass jetzt Hastigkeit statt Nachdenklichkeit das Procedere bestimmt. Warum ausgerechnet Berlin? Hat nicht im Herbst 1989 in Leipzig die "friedliche Revolution" die DDR erschüttert? Waren es nicht Tausende aus Dresden oder Rostock, die in der Prager Botschaft die Einheit mit konstituierten?

Seis drum. Mehr noch als der Ort ist das Verfahren problematisch. Knapp zwei Jahre für eine Diskussion über dieses Gedenkvorhaben - über dessen Ästhetik, Kosten, den Wettbewerb sowie Sinn und Zweck - werden kaum ausreichen, ein klares Zeichen von erster staatspolitischer Symbolik zu schaffen. Die bundesdeutsche Erinnerungspolitik kennt seit 1945 zwar die Chiffren für Mahn- und Opferstätten. In Distanzierung zum normativen Staatsdenkmal der NS-Zeit ging das Land dem anderen Kontext allerdings aus dem Weg.

Eine Ikonografie für ein Einheitsdenkmal muss erst erdacht, erarbeitet und vor allen Dingen begründet werden. Das tut der Schnellschuss - wie der von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) bezüglich des Soldatendenkmals - von CDU und SPD nicht. Gut Ding braucht eben doch Weile.

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