Kommentar: Im Bund mit dem Trend
Dass die Grünen derzeit die beliebteste Oppositionspartei sind, ist nur zum Teil ihr eigener Verdienst. Schließlich wählt die Mehrheit der Berliner nun einmal links.
Die BerlinerInnen halten die Grünen in der Auseinandersetzung mit der rot-roten Koalition für die beste Oppositionskraft. 30 Prozent der WählerInnen sind der Ansicht, die Partei habe in den vergangenen Monaten die beste Oppositionspolitik gemacht, geht aus einer Umfrage von Infratest Dimap im Auftrag von Berliner Morgenpost und RBB-Abendschau hervor. 23 Prozent sehen die CDU, 15 Prozent die FDP vorn. Würde am Sonntag ein neues Abgeordnetenhaus gewählt, hätte Rot-Rot eine äußerst knappe Mehrheit von 47 Prozent. Die Opposition käme auf 46 Prozent. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bleibt mit weitem Abstand beliebtester Politiker der Stadt. 63 Prozent sind mit seiner Arbeit zufrieden oder sehr zufrieden. Der CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger kommt auf 18 Prozent Zustimmung. Befragt wurden vom 9. bis 12. November 1.000 wahlberechtigte BerlinerInnen in Telefoninterviews. DDP
Das Folgende ist keine Grünen-Werbung. Das zu betonen, scheint nötig angesichts der jüngsten Umfrageergebnisse. Demnach machen die selbst erklärten Alternativen aus Bürgersicht die beste Oppositionsarbeit. Tatsächlich haben die Grünen Anlass, sich auf die Schulter zu klopfen. Doch längst nicht alles an diesem Stimmungsbild ist ihrem zähen Wirken geschuldet. Vieles ist schlicht Glück.
Fangen wir mit dem eigenen Verdienst an. Die Grünen-Abgeordneten sind fleißig. Ihrem Wort von der "konstruktiven Opposition" gemäß, stellen sie Anträge und basteln an Konzepten. Ob Flughafenneubau in Schönefeld, Haushaltssanierung oder Umweltschutz - die 23 Parlamentarier haben eigene Vorschläge, die oft still und heimlich in die rot-rote Politik einfließen. Das allein erklärt die Grünen-Sympathie der Berliner jedoch nicht.
Rund 1,6 Millionen Menschen sind seit der Wende an die Spree gezogen. Den Hauptstädtern sind die Feinheiten der hiesigen Landespolitik mehrheitlich herzlich egal. Viele Befragte loben und tadeln also das politische Wirken von Parteien, die sie kaum kennen.
Den Grünen kommt etwas Wichtiges zugute: die allgemeine politische Haltung der Berliner. Die Hauptstadt wählt mehrheitlich links. Dass die einzige links orientierte Oppositionspartei mehr Wählerlob erntet als CDU und FDP, ist da die logische Folge. Und nichts deutet derzeit auf einen Mentalitätswandel hin. Berlin wirbt mit seinem Image als weltoffene, kreative Metropole. Die Stadt wird weiterhin Menschen anziehen, die ihr Kreuzchen eher bei den Grünen machen als bei der CDU. Die Grünen fahren im Windschatten der Stadtentwicklung.
Das Fahren hinter dem breiten Rücken des Trends birgt ein Problem: die Verlockung, träge zu werden. Noch ist davon nichts zu erkennen. Doch die nächsten Abgeordnetenhauswahlen sind erst für 2011 angesetzt. Vier Jahre können sehr lang werden. Auch im Windschatten.
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