Kommentar: Wowereit muss sich ins Zeug legen
Wenn er den Berlinern nicht vermitteln kann, warum Tempelhof geschlossen werden muss, hat er versagt.
Oft wurde in den letzten Tagen gefragt, warum einen Instinktpolitiker wie Klaus Wowereit der Instinkt verlassen hat. Wie es kommen konnte, dass die CDU mit dem Flughafen Tempelhof ein Thema besetzt, dessen Emo(tional)-Faktor kaum zu überbieten ist. Ob der Regierende damit durchkommt, den Ball flachzuhalten und darauf zu hoffen, dass die Tempelhof-Befürworter an der Hürde von mehr als 600.000 Stimmen scheitern.
Klare Antwort: Wowereit kommt damit nicht durch. Selbst wenn das Flughafenbündnis nur 500.000 Stimmen sammelt, hat es de jure zwar verloren, de facto aber gewonnen. Es sei denn, dem Votum der Flughafenbefürworter stehen mindestens so viele oder mehr Stimmen der Flughafengegner entgegen.
Eine Herkulesaufgabe, wohl wahr. Sie nicht zu wagen, würde dem Senat aber bis zu den nächsten Wahlen als Arroganz ausgelegt werden. Zu Recht. Wer den Berlinern nicht vermitteln kann, warum Tempelhof geschlossen werden muss, hat versagt.
Doch warum den Kopf in den Sand stecken? Warum nicht den vorgezogenen Wahlkampf annehmen und die Schließung des Airports von der Mehrheit abgesegnet wissen? Nur: Ein bloßes Dagegensein wird da nicht reichen. Schließlich geht es auch um ein Dafür, eine Vorstellung davon, welche Chancen eine Umnutzung des Flughafens bietet.
Kleine, aber feine Planerwerkstätten hat es gegeben. Gut so. Nun aber muss dafür geworben werden, dass das Dafür einen ähnlich hohen Emo-Faktor bekommt wie das Dagegen.
Höchste Zeit also, den Berlinern die Gelegenheit zu geben, sich selbst ein Bild von der Sache zu machen - zum Beispiel auf einem riesigen Fest am Vorabend des Volksentscheids. Platz dafür gibt es zur Genüge - das ist ja das Faszinierende an dieser vielleicht größten Herausforderung des Stadtumbaus der nächsten Jahrzehnte. Nun muss nur noch der Wille her. Herr Wowereit, legen Sie sich ins Zeug.
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