Kommentar: Blasierter Senat
Jahrelang hat es Rot-Rot versäumt, Argumente für die Schließung von Tempelhof aufzuführen und zu erklären, was stattdessen dort passieren soll. Ein hausgemachtes PR-Desaster.
Wäre es doch nur so einfach, CDU, FDP und Industrievertretern die ganze Verantwortung für diese Tempelhof-Posse zu geben. Es stimmt zwar: In der Argumentation der falschen Freunde des Flughafens stecken Löcher, so groß wie das 386 Hektar große Areal, um das es am Sonntag beim Volksentscheid geht. Mal fordern sie einen Verkehrsflughafen, mal nur eine Landebahn für Geschäftsflieger. Dann behauptet die FDP hanebüchenerweise, ein Park auf dem Flugfeld öffne "den Drogendealern aus Neukölln" Tür und Tor in Tempelhof. Aber schuld am PR-Debakel ist vor allem der Senat selbst.
Rot-Rot erklärt immer wieder, die Schließung des Flughafens sei seit 1996 beschlossene Sache. Das stimmt. Warum aber nutzte die seither ununterbrochen regierende SPD diese Zeit nicht? Erst vor sechs Wochen präsentierte die Stadtentwicklungsverwaltung ein paar Bildchen und vage Pläne. Sie sollten zeigen, was eventuell dort entstehen könnte - bis 2020. Entschieden ist jedoch nichts. Es ist nicht mal geklärt, ob das Land in absehbarer Zeit über das drittgrößte Gebäude der Erde und das umliegende Areal verfügen kann. Die Eigentumsverhandlungen mit dem Bund ziehen sich hin. Nur eine Dauerregierungspartei wie die Berliner SPD konnte glauben, dies aussitzen zu können.
Besserwisserisch pochten SPD und Linke lange auf länderübergreifende Verträge und Gerichtsbeschlüsse. Doch diese Argumentation versteht nicht mal Linkspartei-Frontmann Gregor Gysi. Und der ist Anwalt.
Es wäre für Rot-Rot so einfach gewesen, den Berlinern das Bild einer Idylle einzupflanzen: Central Park statt Zentralflughafen, klare Luft statt Kerosingestank, Raum für Büros und Wohnungen statt einer halben Ruine. Neuerdings wendet die Stadtentwicklungssenatorin diesen simplen PR-Trick an. Doch für die Gegenkampagne ist es viel zu spät. Sollte am Sonntag eine Mehrheit für die Schließung Tempelhofs stimmen, dann ist das reines Glück und keine politische Leistung.
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