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Kommentar von Klaus Wolschner

Der Rücktritt von Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen ist konsequent.

Die Zeit ist abgelaufen: Jens Böhrnsen Bild: dpa

N icht einmal ein Viertel der Wahlberechtigten im Lande Bremen haben der rot-grünen Koalition ihr Vertrauen ausgesprochen. Nach acht Jahren rot-grüner Koalition unter seiner Führung ist ein Stimmergebnis von 32 Prozent für Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) ein Desaster. Damit unterbot er sogar noch die 33,4 Prozent, die Klaus Wedemeier (SPD) 1995 einfuhr, einem Amtsvorgänger, der damals nach vier Jahren „Ampel“-Koalition zurücktrat. Böhrnsens Verzicht auf eine dritte Amtszeit ist also konsequent.

Damals folgte für die Sozialdemokraten eine glorreiche Zeit unter Henning Scherf. Was die Bremer SPD nach Böhrnsen aufzubieten hat, das ist die Frage. Am Wahlabend lähmte Alternativlosigkeit die Partei. In der SPD gibt es keine Stimmung für eine Koalition mit der CDU. Bündnisse mit der Linken gelten noch als Tabu. Das rot-grüne Bündnis scheint schon heute erschöpft. Die Alternativlosigkeit ist auch Perspektivlosigkeit.

Die Bremer WählerInnen haben deutlich an Vertrauen in die sozialpolitische Kompetenz der SPD verloren, das wird gern als wesentlicher Grund für das Desaster der SPD genannt. Vergleicht man die derzeitige soziale Lage mit 1999, als die SPD noch 42 Prozent holte, oder mit 1971, als sie auf 55 Prozent kam, kann man nicht feststellen, dass es den Menschen schlechter geht. Die Unzufriedenheit mindestens bewegt sich auf hohem Niveau. Viele fühlen sich schlecht repräsentiert und nicht ernst genommen. Viele SPD-Enttäuschte gingen gar nicht erst wählen.

Zweifellos war Scherf der bessere Schauspieler. Für einen effektiven politischen Kurswechsel gibt es in Bremen kein Geld. Vielmehr geht es um eine neue Darstellung der Politik. Der zurückhaltende, anfangs als „hanseatisch“ gelobte Stil Böhrnsens, hat sich abgenutzt. Der Verweis darauf, dass er nun mal nicht anders könne, klang früher noch wohlwollend, inzwischen wirkt er für viele enttäuschend. Seine Losung „weiter so“ und „Böhrnsen ist ein Katzenfreund“ war als Botschaft im Wahlkampf zu wenig.

Eine überzeugende Darstellung von Politik kann es nur mit neuen Darstellern geben.

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Bremen-Redakteur
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3 Kommentare

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  • "Die Alternativlosigkeit ist auch Perspektivlosigkeit. "

     

    Die SPD will das so haben. Wenn sie es anders haben wollten, hätten sie über echte Probleme auch diskutieren können, hätte sie mit den Linken mal reden können, was sie aber nicht taten.

     

    Die Bremer SPD ist eine Verlängerung der Verwaltung gewesen: Wir machen das schon - irgendwie, geräuschlos. Das ist entpolitisiert und das ist in gewisser Weise auch Politik ohne Idee, ohne Vision, aber mit geringen Konflikten - ein Leerlauf. Am Ende setzt sich doch fest, dass es eigentlich egal ist, wen man wählt, ob man wählt oder ob man sogar in einer Partei ist.

     

    Das hat der Bürgermeister zu verantworten und zu meiner Überraschung hat er das auch getan. Damit ist wenigstens sein Abgang historisch bedeutsam für die Stadt. Ansonsten hat er kein Erbe zu vergeben. Bremen wird verwaltet - das geht auch ohne Bürgermeister.

     

    "Vergleicht man die derzeitige soziale Lage mit 1999, als die SPD noch 42 Prozent holte, oder mit 1971, als sie auf 55 Prozent kam, kann man nicht feststellen, dass es den Menschen schlechter geht."

    Lieber Klaus Wolschner: Fahr mal nach Bremerhaven und schnapp die ein paar arbeitslose Leute und frage die, wie es finden, wenn sie ins Jobcenter müssen?

     

    Ich glaube nicht, dass die auf hohem Niveau klagen oder dass es ihnen regelrecht gut geht, sondern dass es massive negative Veränderungen gegeben hat, die gravierende Auswirkungen auf das Leben dieser Menschen hatten. Hartz-IV hat die Quoten von abgestellten Wasser, Strom, hat die Sanktionen in die Höhe schießen lassen. Das Hartz-System verstärkt Armut - das war vor 15 Jahren nicht so. Und diese Veränderung geht auf Gerd Schröder, die SPD und die Agenda-Politik zurück.

  • „Für einen effektiven politischen Kurswechsel gibt es in Bremen kein Geld“, schreibt Klaus Wolschner. Ebenso plausibel wäre die These: Weil Bremen das Geld fehlt, kann es sich manches nicht (mehr) erlauben. Die neue Landesregierung müsste den politischen Kurs neu bestimmen und die Prioritäten neu setzen. Es wäre ein sog. Paradigmenwechsel, schlicht: ein „Ruck“ im Sinne von Bundespräsident Herzog. Welche Partei, welcher Politiker bringt den Mut auf, der dafür notwendig wäre? Aber nur dann kann Politik wieder effektiv sein und für das Volk sichtbar wirken.

    Martin Korol, Bremen

  • Nüchtern betrachtet ist zu Böhrnsen festzuhalten:

    1. Wer es 10 Jahre lang nicht geschafft hat, Bremen voranzubringen, von dem ist kaum zu erwarten, dass er es in den nächsten Jahren schafft und sein Rücktritt somit gut und eine Chance für die Stadt.

    2. Wer vor der Wahl verkündet, Rot-Grün auf alle Fälle fortzusetzen egal was das Wahlergebnis an Alternativen zulassen würde, der darf nachher nicht jammern, wenn keiner mehr zur Wahl geht, wenn es für das Volk nix mehr zu wählen gibt.

    3.Wer am Wahlabend im Fernsehen verkündet, dass die SPD den Regierungsauftrag erhalten habe und er den unter Hinweis auf seine Popularitätswerte den auch annehmen werde, der kann sich nicht am nächsten Morgen - was schert mich mein Geschwätz von gestern - in die üppige Pension verdrücken.

    So hat er nur das Verdienst, dass er den Bürgerinnen und Bürgern einmal mehr demonstriert hat, wie sie belogen werden.

    Fazit: Gut, dass Böhrnsen geht! Kein Anlass, ihm eine Träne nachzuweinen.