piwik no script img

KommentarHafenstraßisierung

■ Warum der Befriedungs-Vorschlag und eine degradierte Senatorin nicht reichen

Wer einen Stadtteil zum Kochen bringt, kann nicht erwarten, daß ein Fingerhut kaltes Wasser den Siedepunkt beeinfluß. Der Versuch des Bürgermeisters, aus dem Dampfkessel St. Pauli die Luft rauszulassen, ist unübersehbar. Und zu spät.

Sympathie, Solidarität und Entschlossenheit für die Besetzung werden durch die plötzliche Einsicht des Senats nicht geringer. Denn die Forderung nach Erhalt der Kiez-Klinik besteht weiter. Unvergessen bleibt zudem, daß Voscherau sich überall, nur wochenlang nicht im Hafenkrankenhaus blicken ließ.

Unausweichlich auch die Tatsache, daß er die St.-Pauli-Krise in trockene Tücher kriegen will, bevor der Wahlkampf lostobt. Nur den Verdacht der Grundstücksspekulation konnte Voscherau nun ausräumen.

Auch die faktische Degradierung von Senatorin Helgrit Fischer-Menzel kann die St. PaulianerInnen nicht befrieden, denn die grundsätzliche Fehlentscheidung, die Klinik zu schließen, ist noch nicht vom Tisch. Warum Fischer-Menzel nach dieser Demütigung nicht zurücktrat, bleibt ohnehin ein Rätsel, das nur mit Parteiräson zu erklären ist. So kurz vor der Wahl läßt sich kaum jemand finden, der bereit wäre, den Scherbenhaufen zusammenzufegen.

Trotz des ersten Schritts in die richtige Richtung ändert sich an dem Konflikt nichts Grundlegendes. Besetzungen, zumal breit unterstützte, können sich verselbständigen. Eine Hafenstraßisierung am Zirkusweg ist weder ausgeschlossen noch abwegig. Und wer sich bei den bunten Häusern durchgesetzt hat, dürfte dem Senat noch in Erinnerung sein. Silke Mertins

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen