Kommentar: Macht und Wechsel
■ Warum das britische Vorbild keine Schreckensvision für Hamburg ist
Es gibt Tage, an denen sich ein Genosse noch freuen kann, in der SPD zu sein. Der überwältigende Labour-Sieg in Großbritannien pünktlich zum Hamburger SPD-Parteitag hätte eleganter nicht geplant werden können. Vor lauter Mitfreude weiß der Bürgermeister nicht mehr so recht, ob er Henning Voscherau oder Tony Blair heißt. Die hanseatischen SPDlerInnen fühlten sich gestern so anglisiert, als hätte es auch in ihrer Partei eine Auseinandersetzung um einen Wertewandel gegeben.
Doch obwohl man den Sieg Labours als Sieg der „Familie“feiert, setzt die hiesige SPD auf ein geradezu konträres Programm. Denn statt einer grundsätzlichen Änderung wollen Voscherau & Co eine Fortführung der jetzigen Politik mit gleichen Mitteln.
Neue Antworten auf die drängenden Probleme der schwindenden Arbeit und wachsenden Armut sind nicht zu hören. Noch immer geht die Förderung der Großindustrie vor eine verantwortliche Umweltpolitik, die ökologischen Reformwillen mit der Schaffung von Arbeitsplätzen mit mehr als entschlossener Rhetorik zu verbinden versucht.
Die SPD will auf landespolitischer Ebene Bestehendes konservieren. Die fehlende öffentliche Diskussion um das Wahlprogramm ist Ausdruck einer intellektuellen Selbstzufriedenheit. Die SPD regiert in dieser Stadt seit 50 Jahren fast ununterbrochen. Warum sollte sich aus SPD-Sicht daran etwas ändern?
In Großbritannien gab es einen Machtwechsel. Die Hamburger SPD preist ihn als Vorbild für die Bürgerschaftswahlen an. Wörtlich genommen muß das keine Schreckensvision sein.
Silke Mertins
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