■ Kommentar: Kurs auf Rot-Grün
Von der Bundestagswahl geht ein klares Signal für eine rot- grüne Mehrheit nach der Abgeordnetenhauswahl im Herbst 1999 aus. Nach neun Jahren Großer Koalition ist auch Berlin reif für den Wechsel. Und doch gilt diese Prognose nur unter großem Vorbehalt. Es ist fraglich, ob die SPD das Spitzenergebnis vom Sonntag wird wiederholen können. Denn noch ist der Schröder Berlins nicht in Sicht, und er wird wohl auch nicht wie Phoenix aus der Asche auftauchen. Selbst ein Populist wie Walter Momper wird nicht einen Schröder-Effekt entfachen können. Nur mit einem strahlenden Kandidaten wird es der SPD gelingen, Eberhard Diepgen nach 14 Jahren im Amt als „verbraucht“ in die Ecke zu stellen.
Die Kandidatenfrage steht in der SPD erst im Frühjahr auf der Tagesordnung. Ein früher Wahlkampfstart würde die Arbeitsfähigkeit der Großen Koalition zu stark belasten. Doch wie die SPD den Spagat zwischen der Sacharbeit in der Großen Koalition bewältigt und sich zugleich glaubhaft aus dieser Zwangsgemeinschaft abseilt, wird eine spannende Darbietung. Die Berliner SPD ist zudem in der Bringschuld: Die Grünen haben schon vor einem halben Jahr grüne Reformprojekte für ein rot- grünes Bündnis vorgelegt, die SPD ist eine Antwort bislang schuldig geblieben.
Für die Grünen ist die Lage einfacher. Sie haben sich mit 11,3 Prozent eine gute Ausgangsbasis für die Abgeordnetenhauswahl geschaffen. Ob der erhoffte Rückenwind einer rot-grünen Bonner Regierung in Berlin wirkt, wird vor allem von deren Erfolg abhängen. Im schlimmsten Fall könnten rot-grüne Streitigkeiten abschreckend wirken. Aber auch ohne Streit wäre fatal, wenn das erste Jahr einer rot-grünen Regierung keine greifbaren Ergebnisse bringt und die Wähler sich fragen, wofür sie Rot- Grün gewählt haben. Schubkraft für einen Wechsel in Berlin wird ein rot-grünes Bündnis in Bonn nur entfalten, wenn es Erfolg hat. Dorothee Winden
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